Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)
das Glück. Ich hätte mir ernsthafte Probleme eingebrockt, wenn sie nun geblieben wäre. Also war ich letztlich froh darüber, dass sie ging. Es fühlte sich bloß nicht so an, als wir die Fifth Avenue hinaufschlenderten, einige von Manhattans prächtigsten Bauten rechts von uns und der Central Park links. Wir hätten ein glücklichesPärchen unterwegs zum Mittagessen oder zum Zoo sein können, wo wir uns die Eisbären angesehen hätten.
Meriwether schrieb eine SMS, dass Nile Sutro als Schutz für Hadley und sich selbst die Rivers-Davis-Agentur angeheuert hatte, und die beiden Männer waren bereits im Haus in Sneden’s Landing.
In dreieinhalb Stunden sollte Sutros Maschine auf dem JFK landen. Von der Landung bis zu Constance Cohen’s Wohnung würde es etwa fünfzig Minuten dauern, also blieben Hadley und mir etwas mehr als vier Stunden, und die Uhr tickte.
Nachdem Sloane Constance in ihrem Sommerhaus in Roquebrune-Cap-Martin in Südfrankreich erreicht hatte, hatte sie im Gebäude telefonisch Bescheid gesagt, dass Hadley und ich ihre Gäste seien und dass man uns die Schlüssel zu ihrer Wohnung geben solle. Der Pförtner war von alter Schule; er wusste unsere Namen, bevor wir sie ihm sagten, er tippte sich vor Hadley an die Mütze und fragte, ob wir etwas brauchten.
Ich sagte, wir hätten alles und dass in etwa drei Stunden Mr Sutro eintreffen würde. Ich wies den Pförtner an, ihn zum Aufzug zu schicken und uns dann anzurufen. Ich wollte, dass Sutro zu mir und Hadley hinaufkäme, statt dass ich sie zu ihm hinabbringen würde. Machoscheiß, aber das würde nur ich wissen. Er vielleicht auch. Das war Sinn und Zweck des Ganzen.
Wegen Automatisierung und Kosten sind in der Stadt nur noch wenige Fahrstuhlführer geblieben. Automatisierung und Kosten spielen jedoch in dieser speziellen Wohngemeinschaft keine Rolle, wo die billigste Wohnung zwölf Million Dollar kostet.
An jenem Tag war in Constances Gebäude der Fahrstuhlführer ein alter Mann, der wahrscheinlich schon seit zwei- oder dreihundert Jahren dort arbeitete. Er war dazu abgerichtet, erst dann etwas zu sagen, wenn er angesprochen wurde, und daher fuhren wir schweigend aufwärts zur fünfzehnten Etage, wo sich die Tür direkt in Constances Vestibül öffnete.
Ihre Maisonette umfasste die gesamten Etagen fünfzehn und sechzehn des Gebäudes. Weil ihr Ehemann vor einigen Jahren verstorben war und ihre Kinder und Enkel nicht oft zu Besuchkamen, sagte sie häufig, sie sollte die Wohnung verkaufen und in eine kleinere umziehen. Dennoch tat sie es nie, weil das Penthouse an der Fifth Avenue mit seinem Ausblick über die Baumkronen des Central Park immer noch zu atemberaubend war, um es aufzugeben. Und ihre Erinnerungen waren zu glücklich.
Hadley und ich gingen im ersten Geschoss umher und bewunderten Constances Gemälde. Nach ein paar Minuten der Konzentration fielen Hadley nach und nach die Namen der Künstler wieder ein. Es gab einen wunderschönen Monet. Ein paar Landschaften von William Merritt Chase, zwei große Chagalls, eine Reihe von sechs Gemälden, die wie Federn aussahen, von Cy Twombly – von ihm hatte ich noch nie gehört –, aber ich war mir sicher, dass sie wusste, wovon sie sprach. Nachdem wir den Flur entlanggegangen waren, der zum Speisezimmer führte, und vor drei Gemälden von Degas stehen geblieben waren, die Ballerinen zeigten, blinzelte Hadley Tränen davon. Bei allem, was geschehen war, hatte ich sie zuvor nur einmal weinen sehen, kurz in der Klinik, als sie geglaubt hatte, sie säße in der Falle.
»Sie werden wieder tanzen, wenn Sie möchten«, sagte ich ohne Überzeugung.
»Das ist es nicht«, erwiderte sie.
»Ist Ihnen danach, mir zu sagen, was es ist?«, fragte ich.
Sie entgegnete nichts. Sie zog unregelmäßig den Atem ein, um die Tränen aufzuhalten, aber es funktionierte nicht. Das wäre der Augenblick gewesen, die Arme um sie zu legen, und ich weiß nicht, wie ich mich davon abhielt.
Nach einer Weile hörte sie auf zu weinen und hob die Augen. Als sie sprach, war sie vollkommen gefasst. Was es noch schlimmer machte.
»Ich habe geweint«, sagte sie, »weil Constance Cohen Gemälde von Degas sammelt und ich ihr nie begegnen werde. Und ich werde nie Schwester Mary Alphonsus oder Ihren Freund Teak oder sonst jemanden in Ihrem Leben treffen … Sie müssen nichts sagen.«
Das stimmte. Ich konnte nicht sagen, was ich dachte, und ich konnte sie nicht anlügen, also schwieg ich.
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Constance und ihr Mann waren große
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