Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)
war aber nicht sehr lange gegangen, und das Wetter war heiß und trocken, also bestand kein Grund für den Schmerz.
Sloane und Schwester Mary A sind ein perfektes Paar. Papa und Mama und der irrende Junge. Was ich auch an Problemen heraufbeschwor, was auch geschah, sie würde sagen, dass es immer einen Grund gäbe und Gott diesen kenne.
Es gibt immer einen Grund, würde Sloane beipflichten, und Nick kennt ihn. Irgendwie.
Ja, würde sie dann sagen, weil Gott ihm die Fähigkeit zur Reflexion verliehen hat. Und dann würde Sloane sagen, ja, meine Liebe, Sie können es nennen, wie Sie wollen.
Ich ging einen weiteren Block entlang und sah Leute aus Dunkin’ Donuts mit großen Bechern Eiskaffee kommen, weswegen mir die Idee kam, mir selbst einen zu besorgen. Dann überquerte ich die Straße zu einem Spirituosengeschäft, wo ich zwei kleine Fläschchen Jameson erstand und mir in den Kaffee goss. Der Bursche hinter der Theke meinte, das sähe aus wie eine gute Idee. Ein so heißer Nachmittag. Vielleicht würde er es nach der Arbeit auch probieren.
Ich schlug ein paar Stunden tot, ging umher und spulte dabei jedes Wort ab, das Carteret gesagt hatte. Holen Sie Ihr Handy morgen. Ich möchte einige Zeit mit meiner Frau verbringen. Das können Sie doch verstehen.
Ich entdeckte ein Feinkostgeschäft mit einer Reihe Blumen draußen. Nelken, Chrysanthemen, Sonnenblumen und Rosen. Maiglöckchen waren Julias Lieblingsblumen, aber man bekam sie bloß für eine sehr kurze Zeit zum Frühlingsende, und davon waren wir weit entfernt. Die weißen Rosen sahen so hübsch aus, also erwarb ich einen Strauß und ging weiter.
Ich blieb bei einem Zeitungsstand stehen, besorgte eine Ausgabe der
Post,
warf sie weg, rauchte ein paar Zigaretten und kehrte dann schließlich zur Ecke Fifth Avenue und West Tenth Street zurück, einen halben Block entfernt, jedoch mit einem guten Blick auf das Stadthaus.
Carteret war um 12.20 Uhr gekommen. Wie viel Zeit ist einige Zeit? Einige Zeit ist nicht der ganze Tag.
Einige Zeit mit meiner Frau verbringen. Dann würde er ins Büro zurückkehren, also würde ihn Deutsche vielleicht abholen. Wie langehatte er Deutsche freigegeben? Würde Deutsche für die restliche Schicht zurückkehren, die bis in den Abend ging? Ich sah mich um, ob Carterets schwarzer Bentley irgendwo auf der Straße parkte. Tat er nicht.
Ich konnte nicht im Haus anrufen, und ich konnte nicht gehen. Alles, was ich wollte, war, Julia ein paar Minuten sehen. Nur sie sehen. Ich wusste, ich würde am folgenden Morgen zurücksein, aber das war nicht rasch genug.
Damals gab es immer noch Münztelefone auf der Straße, also rief ich Jerry Deutsche an, weil er, obwohl nicht anwesend, Carterets Plan für den Tag kennen musste.
»Was ist?«, fragte Deutsche, als er meinen Anruf entgegennahm. Er war der Dienstälteste bei Owen und erledigte alles streng nach
Vorschrift.
»Nicht viel«, erwiderte ich. »Ich habe mich gefragt, ob Carteret immer noch im Haus ist?«
»Wovon redest du, Sayler?«, fragte Deutsche. »Er ist im Büro. Ich habe ihn eine halbe Stunde, nachdem ich ihn dort abgesetzt hatte, wieder abgeholt.«
»Ich dachte, er hätte dir den Nachmittag freigegeben«, sagte ich.
»Dann hat er mich angerufen und gesagt, er habe es sich anders überlegt«, sagte er. »Wo bist du?«
»Ich bin auf der Straße«, erwiderte ich. »Bei seiner Heimkehr hat er mir den Rest des Tages freigegeben.«
Als Jerry Deutsche nichts sagte, fuhr ich fort: »Stimmt was nicht?«
»Ja«, erwiderte Deutsche. »Etwas ist hier faul. Mr Carteret hat mir gesagt, du bist im Haus. Du würdest Mrs Carteret dabei helfen, einiges Zeug auf der Terrasse einzupflanzen.«
Ich ließ den Hörer fallen und rannte los.
26
Ich öffnete die Tür mit Julias Schlüssel, und als ich zur Treppe jagte, erhaschte ich aus dem Augenwinkel einen Blick auf die Schachtel aus dem Restaurant. Sie lag immer noch auf dem Tisch in der Eingangshalle.
Während ich die drei Treppen hinaufrannte, glaubte ich, den
Bolero
zu hören. Die Tür zum Hauptschlafzimmer war geschlossen, also klopfte ich. Und klopfte erneut.
»Julia«, sagte ich.
Nichts.
»Julia«, sagte ich lauter, klopfte fester, öffnete schließlich die Tür.
»He«, sagte ich. »Ich bin wieder da. Wo bist du?«
Nichts.
Die Tür zur Terrasse stand offen. Als Erstes sah ich den runden Glastisch, an dem wir essen wollten. Er war umgekippt, zerbrochene Teller, zwei Servietten, nach wie vor in ihren silbernen Ringen, alles
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