Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)
Lebens zusammen, und wir würden die Sache schon hinbekommen, wie alle anderen auch.
Nachdem ich dem Lieferanten ein Trinkgeld gegeben hatte, verschloss ich die Tür hinter ihm.
Um das sowieso schon aufgemöbelte Sicherheitssystem im Haus noch zu verstärken, waren sämtliche Schlösser ausgetauscht worden. Ein neues, sehr kompliziertes Schloss war vor wenigen Wochen in der Eingangstür eingebaut worden. Nur vier Schlüssel wurden angefertigt, die sowohl vom Design als auch von Gesetzes wegen unmöglich zu kopieren waren. Im Falle eines Verlustes müsste ein neues Schloss eingebaut werden.
Der erste Schlüssel gehörte William Carteret, der in seinem Büro war. Ein weiterer Schlüssel lag beim Manager von Owen Security, der ihn zusammen mit anderen Schlüsseln seiner Kunden im Firmensafe aufbewahrte. Den dritten hatte Mrs Bendell, die Haushälterin, die unterwegs nach Orlando war. Und der vierte Schlüssel – Julias – steckte in meiner Tasche.
Aber das Geräusch, das ich von der Eingangstür vernahm, war das des Schlosses, in dem sich ein Schlüssel drehte. Ich trug eine große weiße Schachtel in der Hand, wie ein Kellner, der ein Tablett trug. Meine andere Hand war leer, weil ich zum ersten Mal in der ganzen Zeit, die ich in der Villa gearbeitet hatte, unbewaffnet war.
25
Einen Augenblick lang wurde der Mann von der blendenden Mittagssonne von hinten erhellt, und ich konnte ihn erst erkennen, als er die Tür hinter sich schloss.
»Mr Carteret«, sagte ich.
Er zeigte auf die Schachtel in meiner Hand.
»Was ist das?«
»Mrs Carterets Mittagessen. Ich wollte es gerade für sie auspacken.«
»Sieht ganz schön viel aus«, sagte er.
Ich wollte weder zustimmen noch leugnen noch die Schultern zucken. Ich sagte nichts. Schließlich zeigte er wieder auf die Schachtel.
»Lassen Sie sie hier«, sagte er. »Ich bringe sie ihr hoch. Und Sie können sich den Rest des Tages freinehmen.«
»Okay«, sagte ich. »Mein Handy ist in der Küche – ich rufe im Büro an und sage Bescheid, dass ich gehe.«
»Es ist nicht nötig, dass Sie anrufen«, sagte er.
»Ist bloß Geschäftsordnung«, entgegnete ich.
»Holen Sie Ihr Handy morgen«, sagte er. »Sie können jetzt gehen.«
Ich setzte die Schachtel auf den Tisch, während er gleich neben der Tür stand. Seine Körpersprache signalisierte, dass mir keine Wahl blieb.
Ich ging durch die Tür, und weil er sich nicht rührte, war es offensichtlich, dass er abwartete, bis ich die kurze Treppe hinabgegangen war, die zum Bürgersteig führte.
An der untersten Stufe blieb ich stehen.
»Ich sehe Deutsche nicht«, sagte ich.
Jerry Deutsche, der Fahrer von Owen, hätte vor dem Haus parken sollen. Er sollte die ganze Zeit über bei Carteret sein.
»Heute mache ich mir keine Sorgen um meine Sicherheit. Ich habe ihm auch freigegeben«, sagte Carteret. »Es ist so ein schönes Wetter. Ich habe mich entschlossen, ein wenig Zeit mit meiner Frau zu verbringen. Allein. Das können Sie doch gewiss verstehen, Sayler, nicht wahr?«
»Ja«, erwiderte ich. »Das verstehe ich – aber soll ich nicht draußen bleiben und das Haus im Blick behalten? Sie sollten nicht ohne Schutz sein.«
»Ist schon in Ordnung, Sayler«, sagte er und schloss die Tür.
Ich ging ein paar Schritte weit, bevor ich mich umschaute. Es hatte keinen Sinn, hochzusehen – Julia war auf der anderen Seite des Hauses, der ruhigen Seite, mit Blick auf den Garten. Jetzt hoffte ich dringend, dass sie mehr als ihren Schmuck trug.
Er hatte gesagt, ich solle mein Handy morgen holen. Also arbeitete ich nach wie vor für ihn. Oder bedeutete es: »Holen Sie das Handy, bevor Sie gehen, weil Sie gefeuert sind?« Er hatte gesagt, er wolle einige Zeit mit seiner Frau verbringen. Vielleicht bedeutete es, er würde ins Büro zurückkehren. Vielleicht war er nicht für den Rest des Tages zurückgekehrt. Vielleicht könnte ich sie ein paar Minuten sehen vor morgen.
Ich wartete einige Herzschläge lang, bevor ich losging. Zwanzig Blocks nach Norden, zwanzig Blocks zurück. Einen Block nach Westen. Ein paar Blöcke nach Osten, wo ich in einen Tasti D-Lite ging und ein Schokohörnchen bestellte. Ich war nie zuvor in einem dieser Läden gewesen, also wusste ich nicht, dass sie das Zeug aus Luft und Pappe herstellten. Ich warf das Hörnchen weg und besorgte mir eine Brezel bei einem Straßenverkäufer, und zwar ein paar Minuten, bevor ich entdeckte, dass ich keinen Bissen herunterbrachte.
Mein Bein begann zu schmerzen. Ich
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