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Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)

Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)

Titel: Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanie McDonell
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Polizeifunk abzuhören, sowie seiner sämtlichen übrigen Ausrüstung – vorrangig das, was sein Gehirn in Betrieb hielt –, wäre die rascheste und akkurateste Weise, an Informationen heranzukommen.
    Ich blieb etwa zwei Minuten an der Leitung, und als er sich wieder meldete, erklärte er, dass zwei große Laster in dem heftigen Regen zusammengestoßen waren, dabei Autos über die Mittellinie geschleudert und einen gewaltigen Verkehrsstau verursacht hatten.
    Krankenwagen und Feuerwehrautos konnten sich nur mühsam einen Weg durch den Stau bahnen, und wegen des Unwetters waren auch keine Hubschrauber unterwegs.
    Meriwether schätzte, dass wir mindestens eine Stunde nicht von der Stelle kämen. Sagte, er würde mich wieder anrufen, wenn sich etwas änderte.
    Hadley holte einen Apfel aus einem Beutel mit Obst, das Meriwether ihr eingepackt hatte.
    »Sie haben sehr nette Freunde«, sagte sie, ohne zu begreifen, dass sie die meisten davon bereits kennengelernt hatte.
    »Sie hören sich überrascht an«, meinte ich.
    »Ja«, sagte sie. »Ich weiß nicht, warum. Vielleicht habe ich keine netten Freunde.«
    »Sie haben bestimmt großartige Freunde«, sagte ich, obwohl ich mir dessen ganz und gar nicht sicher war.
    Ein paar Minuten lang lauschten wir auf den Regen.
    »Sie sollten diesen Apfel essen«, sagte ich.
    »Nick«, fragte sie, »wie ist Julia gestorben?«
    Julia verbrachte ihre Zeit mit ihren Büchern, ihrer Musik und ihrem Garten. Stadthäuser so prächtig wie das ihre hatten immer viel Platz um sich, und ein Teil davon war landschaftlich sehr aufwendig gestaltet. Zweimal im Monat arbeitete Julia für eine Wohltätigkeitsorganisation und versuchte, ältere Kinder in einer Adoptivfamilie unterzubringen. Von ihrem Haus auf der West Tenth Street ging sie fast jeden Tag fünfzig oder sechzig Blocks weit zum Central Park, wo sie joggte, wenn es warm war, und Schlittschuh lief, wenn es kalt war.
    Als ich die naheliegende Frage stellte, warum sie Carteret nicht verlassen hatte, erwiderte sie, es sei Schicksal. Es sei ihr Glück. Sie war bei ihm geblieben, damit sie dort wäre, um mich zu treffen.
    Was ich Glück nenne, ist etwas anderes. Es geschieht; man wartet nicht darauf. Man verlässt sich nicht darauf, weil man weiß, wie leicht es einem den Rücken kehren kann. Aber das habe ich ihr nicht gesagt.
    Ich habe nicht gefragt, warum das Schicksal uns nicht früher zusammengebracht hat, in einer Bar oder an einer Straßenecke. Nichts zählte, außer dem Zusammensein mit ihr.
    Carterets nicht rückverfolgbare Morddrohungen gingen weiter, und daher ging mein Job als Julias Bodyguard weiter.
    Sie und ich gingen zum Central Park, in Hotelzimmer und in das verratzte Studio, das ich von einem anderen Burschen von Owen Security untergemietet hatte, der sich in Pennsylvania von einer Schussverletzung erholte.
    Das Zimmer war klein, der Kühlschrank brummte, und in einer Ecke stand ein riesiger leerer Vogelkäfig. Der Ventilator an der Decke war kaputt, und die einzigen Möbelstücke waren ein Kartentisch, ein Stuhl und ein Einzelbett, in dem wir nachmittags auf den weißen Leinenlaken lagen, die Julia in einem sündhaft teuren Geschäft in SoHo erstanden hatte.
    Sie brachte Musik-CDs mit, und als ich Ravels »Bolero« zum ersten Mal hörte und begriff, dass er auf einen langen, perfekten, explosiven Fick geschrieben worden war, lachte Julia. Aber dann hörten wir ihn jedes Mal, wenn wir ins Studio gingen.
    Manchmal versuche ich es, aber ich kann nicht vergessen, wie sie meine geschlossenen Augen mit Küssen bedeckte und wie sie weinte, als sie die Narben auf meinem Bein zum ersten Mal sah. Ich sagte, das kaputte Bein habe mich zu Owen gebracht, was mich zu ihr gebracht habe. Wir mochten es, unsere eigene Geschichte zu erfinden, und wir mochten es, dass wir ziemlich bald keine weiteren Kapitel mehr hinzuerfinden müssten.
    Ich weiß nicht, wie Carteret uns auf die Schliche kam. Bei ihr daheim waren ständig die Haushälterin und die Putzfrauen anwesend, also blieben wir auf Distanz, aber wir wurden vielleicht sorglos. Oder er war uns gefolgt. Vielleicht war ihm eine Veränderung an Julia aufgefallen. Vielleicht hatte er es erst an jenem letzten Nachmittag erfahren.
    Mrs Bendell, die Haushälterin, fuhr um sieben Uhr dreißig in der Frühe in die Ferien. Um acht fand gewöhnlich der Wachwechsel statt. Der Mann von der Nachtwache und ich trafen uns an der Eingangstür, wo er mir wie immer mitteilte, dass es ereignislose zwölf

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