Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)
ernsthafter Verstoß; er transportierte auch die Botschaft der Missachtung, für die Thomas Fallon so gut bekannt war. Er hatte sich im Laufe der Zeit Feinde gemacht. Sie fühlten sich von seinem Verhalten persönlich beleidigt. Trotz seiner Heldentaten, die viel Eifersucht hervorgerufen haben mussten, und obwohl er bei so vielen aufgebrachten gewissen hohen Tieren immer wieder davonkam. Sie warteten stets auf eine weitere verdammt ernsthafte Sache, die ihnen einen Grund liefern würde, ihn an den Schreibtisch zu ketten.
Fallon hätte sie nicht darum gebeten, aber Goode warf sich sofort für ihn in die Bresche. Sie sagte aus, weder sie noch Fallon hätten etwas getrunken, als sie zusammen im County Kerry einer verdächtigen Aktivität nachgegangen waren, und dokumentierte diese Aussage in einem gut geschriebenen Bericht. Niemand zweifelte an der stoischen Detektivin, weil alle wussten, dass Fallon sie nicht ausstehen konnte, und alle hielten die Abneigung für gegenseitig.
Was sie als Belohnung dafür erhielt, ihre Karriere aufs Spiel gesetzt zu haben, war Fallons mürrische Wertschätzung. Für sie war das wie ein Lotteriegewinn.
Weder Rue noch Fallon oder Goode erzählten mir etwas. Und ich erzählte ihnen auch nichts, obwohl ich wusste, dass zu der Zeit, als alle davon ausgingen, die beiden Detektive würden der Untersuchung nachgehen, meine Freundin mit der nicht zu ihr passenden Freundin, Detective Linda Goode, ein Sandwich im Park zu sich genommen hatte.
Auf dem Weg zurück in den Wintergarten hörte ich Musik, und als ich die Tür erreichte, erblickte ich die Tänzerin, in weißer Hose und weißer Bluse, am Klavier.
Bei meinem Anblick hörte sie zu spielen auf.
»Prozedurales Gedächtnis«, sagte sie.
»Wo ist Ihre Freundin?«, fragte ich.
»Gleich hier«, erwiderte Margo, die hinter mir eingetreten war. »Hadley! Ich habe dich spielen hören. Du hast dich an die Musik erinnert – das ist prächtig!«
»Ich habe mich bloß daran erinnert, wie man spielt«, sagte Hadley. »Ich weiß einfach nicht, was ich gespielt habe.«
»Das war aus dem ersten Akt«, erwiderte Margo überrascht. »Giselle.«
Die beiden Frauen sahen einander schweigend an. Aber Schweigen war nicht Margos Stil.
»Nun, schon gut – mach dir keine Sorgen«, plapperte sie drauflos. »Du siehst auf jeden Fall wunderbar aus. Sie sieht immer wunderschön aus – Gott sei Dank bist du in Ordnung. Du bist dochin Ordnung, nicht wahr? Ich meine, sieh dir dein Gesicht an – wenigstens muss der Schnitt nicht genäht werden. Diese Narbe wird verschwinden, aber sie muss wehtun. Möchtest du etwas Eis? Nein? Hadley ist zäh. Haben Sie das gewusst? Okay, dann machen wir es uns alle doch etwas gemütlich. Was passiert ist …« Margo hielt inne, um Luft zu holen.
»Oh, tut mir leid«, fuhr sie mit einem Blick auf mich fort. »Wir sind einander noch nicht vorgestellt worden – na ja, ich meine, Sie wissen, was ich meine. Sie sind Nick Sayler, nicht wahr? Hier ist ein Pullover für Sie. Und der hier gehört dir, Hadley – er riecht sogar nach dir.«
Hadley fand diese Bemerkung eindeutig geschmacklos, aber sie nahm schließlich den Pullover entgegen und brachte ihn dann langsam an ihre Nase. Nach ein paar Herzschlägen zog sie ihn an.
Es heißt, der Geruchssinn sei der ausgeprägteste Sinn. Ich würde sagen, das ist eine verdammt merkwürdige Weise, sich seiner selbst zu erinnern.
»Danke sehr«, sagte Hadley.
»Danke sehr?«, fragte Margo. »Bitte, Hadley, du musst mir nicht danken. Ich liebe dich – du bist meine beste Freundin. Wir sind wie Schwestern.«
»Habe ich eine richtige Schwester?«, fragte Hadley.
Ein schmerzlicher Zug strich über Margos Gesicht.
»Nö«, erwiderte sie. »Bloß du und ich – habt ihr beide Hunger? Gehen wir in die Küche. Mildred ist da. Sie kann uns etwas zu essen machen. Dann könnt ihr erzählen, was passiert ist. Ich möchte es nicht wissen. Nun ja, doch. War’s schrecklich?«
Während wir zur anderen Seite des Hauses gingen, redete Margo ununterbrochen auf Hadley ein, sprach von ihren Französischstunden, ihrem Abstecher nach Petra, ihrer Schneiderin, ihrem Landschaftsgärtner.
Sie sagte nichts über die Vergangenheit. Und Hadley fragte nicht nach. Margo wartete anscheinend auf etwas, wartete darauf, dass der Groschen fiel. Sie schnappte sich nicht das Telefon und rief herum und verkündete Hadleys Rückkehr. Wo waren all dieMenschen aus ihrem Leben – die Freunde, die
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