Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)
nicht in einem Zustand fürs Balletttanzen sei, und wie die Erzählung von Gemmas Tod. Sie konnte einfach Erfahrungen nicht bedauern, an die sie sich nicht erinnerte, und ich bewunderte sie, weil sie nicht so tat als ob.
Margo fuhr fort, dass Sutro vor Kurzem Hadley angebettelt habe, es noch einmal mit ihrer Ehe zu versuchen. Erstaunlicherweise war Hadley einverstanden gewesen. Sie hatte in der Nacht des Überfalls ihre Sachen gepackt. Am folgenden Tag wollte sie nach Stonington kommen und einige Zeit mit Margo verbringen, bevor Sutro von seiner Tournee zurückkehrte.
Nach einem zweiten Haschkeks entschloss Margo sich, uns zu sagen, es sei gut, dass Billy nicht in Stonington sei. Er hatte seit Jahren von Sutro die Nase gestrichen voll – jetzt war er auch noch sauer auf Hadley, weil sie denselben Fehler ein zweites Mal begehen wollte.
»Weil wir wissen, dass Nile dich immer noch für Gemmas Tod verantwortlich macht«, fuhr Margo fort. »Er ist nach wie vor wütend, dass Billy mit dir in der Klinik war. Er war schon immer eine Nervensäge, aber jetzt ist aus ihm ein totales Arschloch geworden.«
»Aber Sie sind immer noch befreundet?«, fragte ich.
»Nein«, erwiderte Margo. »Billy ist durch mit Nile. Er hat mich sogar so weit gebracht, seine Fotos zu entfernen und das Messer wegzugeben, das Nile ihm zum fünfundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hat. Sein Lieblingsmesser. Es hatte John Wilkes Booth gehört. Vermutlich sehe ich die Sache nicht so eng. Und Nile ist ein echter Künstler.«
Und ein Arschloch. John Wilkes Booth. Du meine Güte!
»Warum sollte ich zu diesem Mann zurückkehren wollen?«, fragte Hadley.
»Weil du ihn liebst«, erwiderte Margo und nahm einen weiteren Keks.
»Wo ist er jetzt?«, fragte ich.
»Heute Abend San Francisco, zwei Nächte in L. A. – dann Houston und dann nach Hause. Hadley, möchtest du ihn anrufen?«
»Jetzt nicht«, entgegnete Hadley.
»Okay«, sagte Margo. »Dann später. Du musst ihn anrufen.«
»Margo«, sagte Hadley ruhig, »ich möchte nicht grob sein. Aber die Wahrheit lautet, dass ich überhaupt nichts tun muss.«
35
Wenn Margos Gefühle verletzt waren, so zeigte sie es nicht, und ich war erleichtert, dass die Wein-und-Keks-Kombination sie beruhigt hatte. Ihrem Geplapper von vorhin zuzuhören, war wie ein Beschuss mit einer Schrotflinte gewesen.
»Ich habe eine Idee«, sagte sie. »Tun wir etwas anderes. Wir haben diesen Archivar in New York, der alles zusammensucht, unsere sämtlichen Zeitungsausschnitte und …«
»Nein, bitte«, sagte Hadley. »Es wird einfach sein, über unsere guten Zeiten nachzulesen. Ich muss bloß wissen, ob es noch etwas anders gibt … Schlimmes.«
Margo setzte sich auf den Boden und sprach mit mir.
»Da war etwas anders«, sagte sie.
»Was denn sonst noch, zum Teufel!«, dachte ich. Vater und Ehemann des Mädchens waren beide Pfeifen; ihr Kind ist gestorben. Ihre Karriere war vorüber, und sie war von einem kranken Armleuchter überfallen worden, der noch nicht aufgegeben hatte.
»Weiter«, forderte ich sie auf.
»Das reicht viele, viele Jahre zurück.«
»Erzähl’s mir!«, sagte Hadley.
Aber Margo wandte sich mir zu, was die Sache für sie anscheinend einfacher machte.
»Es geschah, nachdem Hadley einen Gastauftritt am Kennedy Center absolviert hatte, um Geld für das Washington Ballettzu sammeln. Damals war sie mit Billy zusammen. Nile mit Victorine.«
»Ihre Freundin, die andere Ballerina«, sagte ich.
»Ja. Sie war verrückt nach ihm. Sie gingen nach Washington, um Hadley tanzen zu sehen und sie nach Hause zu bringen.«
»Wo waren Sie?«
»In der Stadt«, erwiderte Margo. »Ich war damals das fünfte Rad am Wagen, aber hier also die Geschichte: Ich hätte hingehen können, aber Nile hatte einen kleinen Wagen – ein altes Jaguar Coupé, gelb –, und es war nicht genug Platz. Ist das nicht komisch? Ich meine nicht komisch – ich meine …«
»Ironisch«, sagte ich.
»Ja, ich war zu groß. Also, sie waren fünfzig Kilometer draußen vor New York auf der Jersey Turnpike – es war Winter, es schneite, es war eisig, mitten in der Nacht. Nile war müde – aber niemand konnte ihm einen Vorwurf machen. Ein Bus kam ins Rutschen, es gab eine Massenkarambolage, und der Wagen hatte Totalschaden.«
Margo erhob sich vom Boden und ging langsam im Zimmer auf und ab, während sie weitersprach.
»Nach dem Unfall wurde alles anders.«
»Hadley war mit Nile zusammen«, sagte ich. »Sie haben sich an Billy
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