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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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lässt. Die wollten ihn ständig vernehmen. Wegen irgendwelcher
     Delikte. Bagatellen, hat Dr. Dubois gesagt. Wir kannten Ihren Onkel schon seit über zehn Jahren. Als er kam, hat er den Schmerz
     nicht mehr aushalten können. Er hat mehrmals versucht, sich umzubringen. Wegen dieser unsäglichen Kopfschmerzen. Dr. Dubois
     hat gesagt, es sei eine alte Verletzung, man könne da operativ nichts mehr machen. Wollte man den Fremdkörper entfernen, müsste
     man in Hirnregionen vorstoßen, die tabu sind für die Chirurgie, hat er gesagt. Aber mit unserer neuen Therapie hat er es geschafft,
     Monsieur Hagenau fast schmerzfrei zu machen. Trotz der massiven Kopfverletzung. Dr. Dubois wollte nächste Woche mit ihm nach
     Mailand reisen – zum Internationalen Schmerzkongress. Sogar Leute von der nato werden dort sein. Sie müssen wissen, die Therapie,
     die unser Chefarzt für Schwertraumatisierte entwickelt hat, wird den Krieg revolutionieren. Sagt der Doktor. Soldaten werden
     trotz schlimmster Verletzungen weiter ihren Dienst tun können – zumindest bis zur OP. Die Militärs sind ganz verrückt danach,
     alles über unsere Therapie zu erfahren.« Ihre Begeisterung schien sie selbst ein wenig zu erstaunen. »Zivile Krankenhäuser
     natürlich auch. Glauben Sie mir, Ihr Onkel wäre in Mailand die Sensation geworden. Aber der Patient hatte einen schweren Rückfall
     erlitten.«
    »Wann war das?«
    »Kurz bevor er verschwand. Dr. Dubois sagt, wenn er hiergeblieben wäre, hätte er ihn wieder von den Schmerzen befreit. |207| Aber manche Leute bringen einfach nicht die nötige Geduld auf.«
    »Jetzt ist er leider tot. Aber ich verhelfe dem Doktor dennoch zu einem Platz im Golfklub.«
    Das hob ihre Stimmung wieder. »Ich werde Sie dann mal schnell verbinden. Dr. Dubois wird sich freuen ...«
    Den brauchte ich jetzt nicht mehr: Ich hatte genug über Jean Hagenaus Lütticher Leben in Erfahrung gebracht. »Da kommt gerade
     ein Anruf von der Bank, sagt meine Sekretärin. Sicher wegen Onkels Software-Aktien. Seit ich sie verwalte, sind sie um vierzig
     Prozent gestiegen. Darf ich später zurückrufen?«
    »Ich bitte darum. Adieu!«
     
    A n diesem Abend herrschte eine eigenartige Stille in Schauren. Die Straßen waren menschenleer. Es lag etwas in der Luft. Es
     würde noch etwas geschehen in dieser Nacht.
    An meiner Tür klebte ein Zettel: Einladung zum Abendessen. Um 20 Uhr 30 wird aufgetragen. Bitte gute Laune mitbringen!
    So war Lotte. Sie konnte toben wie eine Furie, wenn man sie verletzte. Aber sie konnte auch vergessen und verzeihen. Lotte
     war eine Frau, die immer wieder zu mir zurückkam. Darin unterschied sie sich von Agneta. Die war weg – und würde niemals wiederkommen.
    Lotte war schnell gekränkt. Das machte es so schwierig mit ihr. Aber sie war gleichzeitig gütig und hatte ein großes Herz.
     Deshalb liebte ich sie immer noch. Das spürte ich wieder, als ich den Zettel mit ihrer Nachricht las.
    Obwohl wir uns entzweit hatten, versuchte sie, mich gnädig zu stimmen. Mit einem guten Essen und natürlich mit Sex. Ich dachte
     an die wertvollen Oxytocin-Hormone, die mir in letzter Zeit doch sehr fehlten. Und in diesem Augenblick wurde mir klar, dass
     ich einen weiten Umweg gemacht hatte und nun wieder dahin zurückgekommen war, wo ich hingehörte. Das Blatt würde sich wenden.
     Ich hatte meine Lotte wieder.
    |208| Wenn sie es wagte, mir einen solchen Zettel an die Tür zu hängen, war der Bürgermeister unterwegs. Sicher blieb er auch über
     Nacht weg. Ich duschte lange und zog mich um. Zur Einstimmung trank ich einen Cognac. Dann war ich bereit, mir meinen Lohn
     abzuholen.
    Ich schlenderte durch den Garten hinüber. Durch das Küchenfenster sah ich Lotte am Herd arbeiten. Sie trug ein rückenfreies
     Kleid. Es war eine Freude, dieser Frau zuzusehen. Am liebsten wäre ich unterm Fenster stehen geblieben. Doch die Kirchturmuhr
     schlug halb neun – und Lotte mochte es nicht, wenn man unpünktlich war.
    Die Haustür stand offen. Ich wurde also bereits erwartet. Sehnlich erwartet.
    Ich betrat den kühlen Flur. Lotte sang ein Küchenlied. Sie hatte keine gute, aber eine bezaubernde Stimme. Die Küchentür war
     nur angelehnt. Ich öffnete sie zaghaft. Ich war befangen. Obwohl doch das, was geschah, nur mir zur Freude geschah. Meine
     Frau kochte für mich. Meine Frau hatte sich für mich schön gemacht. Sie konnte es kaum noch erwarten. Sie konnte es kaum noch
     erwarten, dass ich endlich, endlich wieder in sie

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