Bollinger und die Barbaren
müssen
uns helfen! Finden Sie sie! Ohne Agneta sind wir aufgeschmissen.«
Das glaubte ich gerne. »Sie können sich nicht vorstellen, dass Agneta vielleicht freiwillig gegangen ist?«
»Nein!«, sagte der Alte. »Die hat es bei uns gut. Besser als in Polen.«
»Auf jeden Fall«, stimmte Luc zu. »Die war bei uns total happy.«
»Und die Ehe?«
»Welche Ehe?«, fragte der Alte zurück.
»Seine!« Ich schaute Charles Hagenau an.
Bevor er antworten konnte, erklärte der Alte: »Das geht Sie nichts an.«
Ich faltete das Blatt in der Mitte zusammen. »Ohne gewisse Auskünfte kann ich leider auch keine Ermittlungen aufnehmen.«
Der Alte stützte sich mit beiden Händen auf dem Tresen ab und beugte sich weit zu mir herüber.
»Sie sollen sich gefälligst auf die Socken machen und unsere Agneta wieder herholen, haben Sie verstanden?!«
Plötzlich standen Miller und Straßer hinter den Hagenaus. Ich hatte sie nicht kommen hören.
»Was ist denn hier los?«, fragte Straßer.
Der Alte drehte sich langsam um. »Ich rede mit dem patron .«
»Was willst du, Hagenau?«
»Sie wollen eine Vermisstenanzeige aufgeben«, erklärte ich und zwinkerte Straßer zu. »Wegen der Polin.«
Straßer drehte sich zu Miller um und grinste. »Tja, die seid ihr los. Der Musicalheini hat sie sich unter den Nagel gerissen.
Ihr wisst ja, wie das heutzutage ist mit den Weibern. Wahrscheinlich hat er einfach mehr zu bieten als ihr ...«
|202| Charles wollte auf Straßer losgehen, aber sein Bruder Luc packte ihn von hinten und umklammerte seinen Brustkorb.
Straßer schien das zu gefallen. »So leid es mir tut, aber ihr macht euch jetzt besser vom Acker.«
Die drei zogen wirklich mit hängenden Köpfen ab. Ob es nun die Nachricht war, dass Agneta sich zu Schwierz geflüchtet hatte,
oder das Erscheinen von Straßer und Miller – das konnte ich nicht sagen.
»War das jetzt klug?«, wandte ich mich an Straßer.
»Die sollen wissen, woran sie sind. Früher oder später erfahren sie’s ja doch«, entgegnete er grinsend.
»Später wäre vielleicht besser gewesen.«
»Später?«
»Wenn dieses Musical erst mal aufgeführt ist. Wenn sie nämlich jetzt durchdrehen, wird das die Pläne des Bürgermeisters arg
stören, Straßer.«
Ich hatte ihn überrumpelt. Ich hatte den großen Louis Straßer überrumpelt. Missmutig drehte er sich zu Alain Miller um.
»Behalt die Bagage im Auge, Alain!«
Damit hatte Miller nach der Gaudi nicht gerechnet.
»Aber warum ...?«
Zum ersten Mal wurde Straßer seinem Kollegen gegenüber laut: »Bist du taub?!« Er schob den dicken Polizisten hinaus. »Ich
will, dass du dich an die Fersen der Hagenaus heftest. Du lässt sie nicht aus den Augen! Vor allem aber verhinderst du, dass
die Hagenaus irgendwo Benzin oder andere Brandverstärker organisieren. Ist das klar?«
Miller zog ein langes Gesicht. »Aber heute Abend ...«
»Dienst ist Dienst. Los!«
»Und du? Was machst du, Louis?«
»Heute ist Mittwoch. Mittwochs gehe ich zu meinem Stammtisch.«
|203| A ls ich allein war, wählte ich wieder die Nummer der Klinik in Lüttich. Diesmal war nicht die Sekretärin, sondern eine freundliche
Oberschwester dran. Sie wollte wissen, was ich von Dr. Aaron Dubois wollte.
»Sie müssen verstehen: Der Herr Doktor hat sehr viel zu tun. Patienten aus aller Welt kommen zu uns. Und alle, die hierher
kommen, haben einen guten Grund. Schmerzpatienten sind eine besondere Spezies. Und Dr. Dubois opfert sich für seine Patienten
auf. Er hat selbst überhaupt kein Privatleben mehr. Er ist fast wie ein ...«
». .. ein Heiliger.«
In der Leitung blieb es still. Ich fürchtete schon, sie könnte meine Wortwahl nicht billigen. Doch dann seufzte sie und hauchte:
»Ja, das ist das richtige Wort. Dr. Aaron Dubois ist ein Heiliger.«
Die Schwester – sie war jung und noch zu großen Gefühlen in der Lage – hätte sich eher vierteilen lassen, als mich zu ihrem
verehrten Dr. Dubois durchzustellen. Wie ich die Verhältnisse in Belgien einschätzte, wäre eine Bitte um Amtshilfe bei den
Lütticher Kollegen eine langwierige Sache geworden. In meiner Not improvisierte ich.
»Es geht um seinen Aufnahmeantrag für den Golfklub. Ich wäre bereit, für ihn zu bürgen ...«
Das konnte schiefgehen – dann legte sie auf, und ich hätte all meine Chancen vertan.
»Das würden Sie tun?«, fragte sie freudig.
»Ja, natürlich. Schließlich handelt es sich um Dr. Aaron Dubois. Sogar meinen Onkel hat er behandelt
Weitere Kostenlose Bücher