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Bombay Smiles

Bombay Smiles

Titel: Bombay Smiles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Sanllorente
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Erfahrungen, die ich machte, hinterfragte ich den Wert des Geldes und seine oftmals suspekten Auswirkungen. Mit nur etwas mehr Geld könnten diese Menschen in Würde leben. Die Baracke, in der sie zurzeit hausten, fiel sicher bei jedem Monsunregen in sich zusammen. An welchem Punkt nur verwandelte sich Geld von Notwendigkeit in soziales Gift?
    Während ich mein köstliches Thums Up austrank, hörte ich einen erschütternden Schmerzensschrei.
    Pooja und ihre Mutter rannten, genau wie die beiden anderen Frauen, die mir das Getränk angeboten und mich die ganze Zeit über beobachtet hatten, bestürzt aus der armseligen Hütte, um herauszufinden, was geschehen war.
    Einige Hütten weiter schlug ein Mann brutal auf eine junge Frau ein, die vor Schmerz schrie und weinte. Einige Männer beobachten die Szene ohne Regung, die zahlreich erschienenen Frauen kreischten, als könnten sie das Opfer alleine mit ihren Stimmen beschützen. Pooja aber rannte zu einem anderen Mädchen hin, das ebenfalls schrie, und schloss es in den Arm.
    Ich wollte helfen, ging vor, doch ein kräftiger junger Mann packte mich von hinten fest an den Schultern und hielt mich auf der Hälfte des Weges zurück. Ich konnte den Blick nicht von der erniedrigenden Szene abwenden und versuchte, mich aus dem festen Griff des Mannes zu befreien.

    Schließlich lief der Schläger davon und ließ die Frau mit blutender Lippe am Boden liegend zurück. Der junge Mann ließ mich los und ein alter Mann mit einem langen Bart kam auf mich zu. Er erklärte mir, dass jener Mann, der soeben davon gelaufen war, der Ehemann der verprügelten Frau sei. Er nannte auch den Grund für die Schläge: Eines der Beine dieser Ehefrau sei vom Wundbrand fast vollständig zerstört. Sie könne kaum gehen und deshalb keine Abfälle mehr sammeln. Da der Mann auf die Frau nicht mehr zählen könne, hätte er seit einiger Zeit die beiden fünf und acht Jahre alten Kinder auf die Mülldeponien der Stadt geschickt, wo sie Abfälle sortierten und einsammelten.
    Ich betrachtete jenes Mädchen, das Pooja umarmte, und bemerkte, dass es anstelle der Hand nur einen unförmigen Klumpen mit einem einzelnen Finger hatte, der lose baumelte. Dazu muss man wissen, dass das Material, aus dem die Baracken in Bombay gebaut werden, insbesondere die Eternitplatten sowie andere schadstoffhaltige Baustoffe, starke Missbildungen der Föten verursachen, weshalb viele Kinder bereits mit irreparablen körperlichen Behinderungen zur Welt kommen.
    Pooja kam gemeinsam mit dem Mädchen zu mir.
    »Das ist Lakshmi«, sagte sie und lächelte wieder, diesmal voll Stolz. »Sie ist meine beste Freundin. Sie arbeitet jetzt und sammelt Müll, weil ihre Mama ein schlimmes Bein hat und selbst nicht arbeiten
kann. Ihr kleiner Bruder hilft auch mit, so können sie sich etwas zu essen kaufen.«
    Mit einer Geste rief Poojas Mutter mich zu sich. Während ich zu ihr ging, hielt sich Pooja an meiner linken Hand, Lakshmi aber an meinem Hosenbund fest. Die Gruppe von Frauen, die sich um Poojas Mutter befand, war aufgeregt, alle Frauen redeten mit schrillen Stimmen auf mich ein. Ich nahm an, dass jede von ihnen versuchte, mir die Geschichte jener verprügelten jungen Frau zu erzählen, der man inzwischen das Blut aus dem Gesicht gewischt hatte und die noch immer schluchzend auf den Boden starrte. Alle zeigten auf das Bein der Frau, das von einem schönen dunkelvioletten Sari verdeckt wurde.
    Ich überlegte nicht lange, beugte mich nieder und schob das Kleid so respektvoll wie möglich beiseite. Etliche Fliegen hatten ihre Eier in den riesigen Wunden gelegt, die sich über die gesamte Wade bis zum Oberschenkel breitgemacht hatten. Das Fleisch lag vollkommen offen und war von Eiter verkrustet. Die Wunde verströmte einen unerträglichen Geruch, sie anzusehen war nur schwer zu ertragen, besonders wenn man an die Schmerzen dachte, mit denen die Frau zu kämpfen hatte.
    Die umstehenden Frauen hielten sich ihre Saris vor die Nase und konnten den Ekel nicht unterdrücken. Ich fragte mich, ob mir mein Ekel ebenso deutlich ins Gesicht geschrieben stand wie ihnen,
bemühte mich aber, die verletzte Frau liebevoll anzulächeln.
    Die Frauen, die im Kreis um mich herum standen und sehr laut auf mich einredeten, wurden zwischendurch von mehreren Männern unterstützt. Die Kinder spielten mit einer toten Ratte, eines von ihnen hatte sich zum Stuhlgang hingehockt, derweil es Abfallbrocken vom Boden aufhob und sich in den Mund steckte.
    Ich fühlte einen

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