Bombe an Bord (Haie an Bord)
Wohnungstür. Ein Zigarillo hing ihr im Mundwinkel. Auf ihrem hageren
Gesicht stritten Entsetzen und Trotz miteinander.
Jutta rauschte an ihr vorbei in die
Wohnung.
„In welchem Krankenhaus ist Nicole?“
„Beruhige dich, Jutta! Bitte, beruhige
dich. Ich habe eben mit dem Unfallkrankenhaus telefoniert. Nicole ist außer
Gefahr. Sie haben ihr den Magen ausgepumpt und andere Maßnahmen eingeleitet.
Aber wir sollen davon absehen, sie zu besuchen. Wir können jetzt nicht zu ihr.
Sie liegt am Tropf und braucht Ruhe.“
Jutta ließ sich auf einen Küchenstuhl
fallen. Ein trocknes Schluchzen schüttelte sie.
Carina ging auf und ab — zwei Schritte
hin, zwei zurück, immer wieder. Ihre Ohrringe klirrten. Vom Zigarillo stieg ein
dünner Rauchfaden auf. Auf den billigen Kunststoff-Fliesen klangen ihre Absätze
hart.
Jutta schneuzte sich. „Du bist dir doch
darüber klar, daß das Krankenhaus die Polizei verständigt. Denn der Notarzt hat
ganz richtig vermutet. Es handelt sich um vergiftete Pralinen. Checkst du das?“
„Natürlich. Nur weiß ich leider nicht
mehr, wo ich sie gekauft habe. Ich glaube, am Bahnhof.“
„Nein. Nicht am Bahnhof. Du hast die
Pralinen-Schachtel ,Süßer Gruß’ nicht am Bahnhof gekauft. Du hast sie überhaupt
nicht gekauft. Du hast sie gestohlen.“
Carina verharrte. Entsetzen und Trotz
verschwanden aus ihrem Gesicht. Kein Muskel zuckte, kein Lid, keine Wimper.
„Aus meiner Süßwaren-Abteilung“, fuhr
Jutta fort, „hast du heute morgen die Pralinen-Schachtel geklaut. Woher ich das
weiß? Die Polizei ist im Kaufhaus. Ein Erpresser übt Druck aus. Er will 300 000
Mark. Als Beispiel dessen, was geschieht, wenn er das Geld nicht kriegt, hat er
die vergifteten Pralinen in meiner Süßwaren-Abteilung versteckt. Nur gefunden
haben wir die Schachtel nicht. Natürlich kam gleich die Vermutung auf, ein
Kunde müsse sie gestohlen haben. Du also! Ausgerechnet du! Carina, warum hast
du diese Schachtel genommen und nicht eine andere? Der ,Süße Gruß’ stand doch
ganz weit hinten im Regal. Versteckt, hinter anderen Schachteln, unsichtbar.
Warum hast du nicht eine von vorn genommen?“
Ihre Blicke trafen sich.
„Woher weißt du so genau, wo die
Schachtel stand, Jutta?“
„Weil ich sie selbst dort versteckt
habe. Ich bin der Erpresser.“
Nach einer Weile sagte Carina: „Bei
allen Heiligen — das darf nicht wahr sein. Du? Und... dann ich... und Nicole.
Welcher Teufel wirft da sein Netz über uns?“
Sie drückte ihren Zigarillo in den
Aschenbecher. Für einen Moment starrte sie aus dem Küchenfenster.
„Mir bleibt nicht mehr viel Zeit“, sagte
sie. „Das Krankenhaus verständigt die Polizei. Die wird schnell aufrollen, was
sich abgespielt hat. Kann man dich des Diebstahls verdächtigen? Wohl kaum. Aber
mich. Also reise ich ab. Sofort. Es ist nur ein Bagatell-Schaden. Da kommt
nichts nach — über die Grenzen hinweg. Daß ich Unglücksrabe ausgerechnet diese
Schachtel mitgehen lasse, vergrößert meine Schuld nicht. Es ist nur eine
Verkettung unglücklicher Umstände.“
„Der Arzt hat wirklich versichert, daß
Nicole außer Gefahr ist?“
„Das hat er versichert.“
Jutta nickte. „Alles andere ist jetzt
unwichtig. Hast du schon oft gestohlen?“
„Stehlen ist mein Beruf. Von
Kindesbeinen an habe ich nichts anderes getan. Ich gehöre einer mächtigen
Organisation an. Aber das erzähle ich dir später — wenn du mich in Isoputavabella
besuchst. Jetzt packe ich rasch meinen Koffer. Ruf mir ein Taxi.“
Mühsam stand Jutta auf. Sie fühlte
sich, als träume sie das alles nur. Doch der Alptraum war wirklich.
„Ich bereue diesen Wahnsinn“, murmelte
sie. „Erpressung! Wie konnte ich das tun? Vielleicht ist mir das Schicksal noch
einmal gnädig, und ich bleibe unentdeckt.“
Für einen Moment verzog Carina
verächtlich den Mund. „Behalt die Nerven, wenn du mit den Bullen
zusammenrumpelst. Die werden bald hier sein. Gib Nicole einen Kuß von mir.
Erklär ihr, daß ich plötzlich abreisen mußte. Den Bullen sagst du, daß dir
deine Schwiegermutter ein Rätsel ist. Im übrigen weißt du ja zum Glück nur
wenig von mir.“
8. An der richtigen Adresse
Nach dem Mittagessen im Internat
verließen Tim und Klößchen so fluchtartig die Lehranstalt, als sei dort die
Pest ausgebrochen. Davon konnte natürlich keine Rede sein — nicht mal von
Grippe oder Masern. Aber jetzt, einen Tag vor den Sommerferien, hatte die Penne
ihren Reiz total eingebüßt — mehr noch als
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