Bombenbrut
er sie.
»Doch, ich weiß nicht einmal, wo du steckst!«
Markus erzählt ihr kurz, dass er in Ho-Chi-Minh-Stadt ist, um endlich das verdammte Teleskop zu verkaufen. Er sagt ihr, dass er am nächsten Tag den Termin mit den Iranern habe und danach wieder nach Hause kommen werde.
Plötzlich hält ihn nichts mehr zurück, laut schnaubt er ins Telefon: »Warum hast du mir nicht gesagt, dass Herbert mein Vater ist?«
Verena antwortet nicht. Es ist still in der Leitung.
»Sprich!«, wird Markus ungeduldig.
»Ich, ich«, vernimmt er schließlich Verenas zögerliche Erklärungsversuche, die sie allerdings wieder abbricht. »Woher weißt du?«, fragt sie stattdessen.
»Das spielt jetzt keine Rolle.« Markus ist gereizt. »Sag mir nur, warum. Warum, will ich wissen!«
»Weil Herbert uns niemals hätte ernähren können«, platzt es aus Verena heraus, »der hatte doch immer nur sein verdammtes Teleskop im Kopf, er hat nicht einmal mitbekommen, dass ich schwanger war.«
Markus schluckt. Er schaut verunsichert zu seinem Vater. »Trotzdem«, sagt er schließlich stur.
»Was heißt da ›trotzdem‹?« Verena buhlt mit mütterlicher Stimme um Verständnis. »Markus, ich musste mich um uns kümmern. Ich trug dich in mir, aber Herbert war mittellos und Matthias nahm uns auf.«
»Dich! Dich nahm er auf, mich hat er nie akzeptiert«, bricht es aus Markus heraus.
»Sei nicht ungerecht, er war ein guter Vater für dich, sonst hätte ich es nicht so lange mit ihm ausgehalten.«
Markus schießen Tränen in die Augen. Wie durch einen Schleier sieht er, wie Herbert unruhig aufsteht und angespannt durch das Zimmer tigert, alle anderen in der Runde starren weiter auf ihn und hören ihm verstohlen zu.
»Mama«, krächzt seine Stimme, dann reißt ihm Herbert das iPhone aus der Hand.
»Verena, ich bin’s, Herbert.«
Wieder ist es, als wäre die Leitung unterbrochen. Wieder herrscht absolute Stille. Bis Herbert weiterredet: »Ich dachte es mir manchmal«, seine Stimme ist leise und gebrochen, »wenn Markus als kleiner Junge auf seiner Geige spielte oder sehnsüchtig meine Plattensammlung und meine Bücher durchstöberte, Verena!«
»Ja«, haucht sie, »ja, ich habe es oft gesehen. Auch mir hat es fast das Herz zerrissen, aber was hätte ich tun sollen? Du warst immer nur mit dir und deinen Ideen und Fantasien beschäftigt. Und jetzt hab ich euch beide verloren und bin allein.«
»Du und allein«, stößt Herbert verächtlich hervor, »wo ist denn dein Joseph?«
»Weg. Er ist seit zwei Tagen spurlos verschwunden. Zeitgleich mit euch. Deshalb mache ich mir solche Sorgen.«
»Warum? Was hat Joseph bitte mit uns zu tun?«, wundert sich Herbert, »wir sind in Ho-Chi-Minh-Stadt und werden meine Erfindung endlich verkaufen – stell dir vor, sogar die Chinesen sind daran interessiert. Danach kommen wir wieder zurück.«
»Hoffentlich bald«, seufzt Verena völlig verunsichert, »ich habe Angst.«
»Wovor hast du denn Angst?«
»Ich kann es nicht genau sagen, aber Joseph war so seltsam in der letzten Zeit.«
»Wie – seltsam? Was heißt das?«
»Na ja, er wollte immer ganz genau wissen, was Markus treibt, und jetzt sind beide weg. Markus und Joseph.«
»Mach dir keine Sorgen, Markus und ich sind wohlauf. Verena, wir kommen bald nach Hause, dann müssen wir über alles reden.«
Markus winkt genervt ab und reißt Herbert das Telefon aus der Hand. »Wo ist dein Handy?«, will er unvermittelt wissen.
Verena ist irritiert, stottert kurz und erklärt sagt: »Das habe ich schon gesucht, kann es aber nirgends finden.«
»Verdammt«, zischt Markus und legt auf.
Herbert schaut seinen Sohn fragend an.
»Wer schickt mir eine SMS von dem Handy meiner Mutter?«
Herbert stiert ratlos in die Runde, um kurz darauf zu sagen: »Vielleicht Joseph?«
»Wie das?«, fragt Markus ahnungslos.
»Er ist verschwunden, Verena hat keine Ahnung, wohin.«
»Joseph?«, Markus legt ungläubig die Stirn in Falten.
»Wer ist das?«, schaltet sich Björn Otto in das Gespräch ein und wendet sich an Ines.
»Hatte ich nicht weiter berücksichtigt«, entschuldigt sie sich, »das ist der Stecher von Verena.«
»Wie heißt der genau?«, erkundigt sich Otto und tippt nervös den Namen ›Joseph‹ und, als Ines ihm den Nachnamen nennt, auch ›Brodsky‹ in seinen PC.
24
Leon hat seinen Posten vor Ottos Haus aufgegeben. Was hätte er da noch weiter ausrichten können? Er ist um das Haus geschlichen, hat immer wieder versucht, in die Zimmer zu spähen, aber
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