Bombenbrut
all seine Unternehmungen blieben zwecklos. Das Haus ist verbarrikadiert wie eine Burg. Alle Fenster sind gesichert, zum Teil sogar mit Rollläden verschlossen. Nach weiteren zwei unnützen Stunden hat er seinem Taxifahrer erklärt, dass er nun in das ›Rex‹ zurück wolle.
An der Rezeption nennt Leon seine Zimmernummer, nimmt den Schlüssel an sich und geht gedankenverloren durch das Foyer. Er fährt auf die Terrasse des legendären Hotels, vom Dachgarten aus genießt er den Blick über die heimliche Hauptstadt Vietnams, er denkt dabei an Lena, bekommt einen Anfall von Sehnsucht und startet einen neuen Anlauf, sie anzurufen.
Er steht an der Balustrade des Dachgartens, das Freizeichen ertönt, während seine Augen interessiert über die Gäste des Restaurants schweifen. Plötzlich erschrickt er, schaut genauer hin und schluckt.
»Dass du es wagst, anzurufen!«, hört er Lena am anderen Ende seiner Leitung im fernen Deutschland, »ich schufte mir hier einen ab, mähe mühsam das viel zu hoch gewachsene Gras, und du?«
»Ich? Ich rufe gleich zurück!« – Leon bleibt die Luft weg. Er legt einfach auf. Er muss, er kann nicht anders. Verdammt! Vor ihm sitzt Joseph. Joseph Brodsky, der Bodyguard-Typ, den Markus ihm vorgestellt hatte, der geschniegelte Armani-Träger, der Freund von Markus Kluges Mutter. Was macht der hier?, fragt sich Leon völlig überrascht.
Beunruhigt wendet er sich ab. Er hat keine Idee, wie er sich auf die Schnelle tarnen kann, aber dieser Kerl darf ihn auf keinen Fall sehen. Zum Schutz hält er schnell wieder das Handy an sein Ohr, als würde er noch immer angestrengt telefonieren, und eilt mit Blick in die andere Richtung zum Ausgang des Dachgartens. Erst im Flur des Penthouse atmet er durch, steckt das stumme Handy ein und schielt verunsichert zurück. Es ist eindeutig dieser Gigolo, der ihm in Friedrichshafen beim Dornier-Büfett das leckere Thunfischhäppchen vor der Nase weggeschnappt hat. Er sitzt mit zwei weiteren Männern an einem Tisch und redet auf sie ein.
Leon fällt wieder Lena ein, verdammt, er hat sie einfach abgewürgt, was wird sie nun denken? Aber er hat nicht anders gekonnt, hat einfach auflegen müssen. Joseph darf ihn auf keinen Fall entdecken. Was macht der Kerl bloß hier?
Langsam beruhigt sich Leon wieder. Joseph hat ihn nicht gesehen, Gott sei Dank. Die Sache mit Lena wird er später wieder geradebiegen. Solange sie sich über ihn noch ärgert, ist er trotz seines spontanen Ausflugs bei ihr im Rennen. Er wird ihr nachher alles in Ruhe erklären.
Jetzt muss er sich erst mal um diesen Joseph Brodsky kümmern. Der Mann steht auf, lässt seine beiden Gesprächspartner an ihrem Tisch zurück und geht auf den Ausgang zu, hinter dem sich Leon befindet.
Er verschwindet schnell in einem Nebenzimmer des Dachrestaurants und beobachtet durch den Türspalt, wie Joseph in den Fahrstuhl steigt. Er selbst eilt die zwölf Stockwerke über das Treppenhaus ins Foyer hinunter.
Unten wartet er auf den Aufzug. Eigentlich müsste er ihn überholt haben, schließlich hat er in fast jedem Stockwerk den Aufzugsknopf im Vorbeihasten gedrückt. Er schaut gespannt auf die Fahrstuhltür, doch kein Joseph erscheint. Nach kurzem Überlegen geht er zur Rezeption und fragt nach Joseph Brodsky. Eine junge Frau strahlt ihn aus ihren Mandelaugen freundlich an, tippt vermutlich den Namen in ihren PC und nennt ihm ohne Argwohn dessen Zimmernummer.
Leon nimmt den Aufzug, fährt ins achte Stockwerk, in dem Joseph sein Zimmer hat, schleicht an besagtem Raum vorbei und huscht im Gang um die nächste Ecke.
Er ist völlig irritiert, da er sich bisher nicht um diesen Typen gekümmert hat. Warum auch? Er war bislang nicht in Erscheinung getreten, erst vorgestern auf der Eröffnungsfeier in Friedrichshafen. Und dort lediglich als Anhängsel von dieser aufgedonnerten Verena Kluge.
Aus dem Zimmer nebenan tritt ein Liebespaar. Er, eine stattliche Langnase mit Cowboyhut, eingeschnürt in einen, für seine Ausmaße, viel zu engen Jeans-Anzug. Sie, eine zierliche Asiatin mit hochtoupierten Haaren, kräftigem und buntem Make-up, einem knappen silbernen Kleidchen, das kaum über ihre nicht vorhandenen Pobacken reicht, und silbernen High Heels, damit sie den großgewachsenen westlichen Männern wenigstens bis zum Hosenladen reicht.
Leon sieht dem ungleichen Paar nach, registriert die Zimmernummer auf ihrer Tür und folgt ihnen zum Ausgang. Er beobachtet, wie der Cowboy an der Rezeption den Schlüssel in die Keybox
Weitere Kostenlose Bücher