Bombenbrut
unbeabsichtigt den mutmaßlichen Mörder entlarvt. Joseph Brodsky! Wenn er wirklich ein Agent des Mossad ist, ist er wahrscheinlich auch für die toten Iraner auf dem Motorboot verantwortlich.
Leon liegt in seinem Bett und würde sich am liebsten unter der Decke verkriechen. Was soll er jetzt tun? Wohin muss er als Nächstes gehen? Vielleicht hatte der Kommissar recht und er sollte sich einfach in seinem Zimmer verschanzen. Auf keinen Fall darf er diesem Joseph über den Weg laufen.
Er steht auf, duscht ausgiebig, rasiert sich, putzt die Zähne gründlich und schneidet sich die Fuß- und Fingernägel. Mehr Kosmetik fällt ihm nicht ein, dabei wird ihm klar, er will sich nicht verstecken. Er zieht sich an, huscht aus seinem Zimmer und verlässt das ›Rex-Hotel‹. Auf das Frühstück auf der sonnigen Dachterrasse muss er verzichten. Die Gefahr, Joseph zu begegnen, ist zu groß.
Auf der Straße herrscht ununterbrochener Trubel. Tausende Radfahrer ziehen am Hotel vorbei, ebenso viele Mopeds und einige Autos. Ein Taxi fährt vor, der Fahrer vom Vortag winkt ihm freudig zu.
»Good Morning«, ruft er fröhlich, er scheint auf ihn gewartet zu haben.
»Okay«, lacht Leon und steigt ein. Die gestern verdienten 50 Euro scheinen den Taxifahrer heute auf ein neues Geschäft hoffen zu lassen und Leon ist froh, ein bekanntes Gesicht zu sehen und einen Wagen zur Verfügung zu haben. Die Belege wird er nach seiner Rückkehr Schwanke vorlegen, schließlich ist er in seinem Auftrag unterwegs.
Doch bevor er sich auf die Fährte von Markus Kluge macht, lässt er den Wagen in der Stadt vor einem Kaffee anhalten. ›Pappillon‹ steht auf der Fassade, das verspricht zumindest französischen Kaffee und vielleicht sogar Croissants.
Der Fahrer redet mit der asiatischen Bedienung. Er fragt Leon, ob er ein Frühstück wolle, Leon nickt und denkt an einen frisch aufgebrühten Café au Lait und ein Schinken-oder Käse-Baguette. Wenige Minuten später löffelt er zusammen mit dem Fahrer eine heiße Nudelsuppe.
Es ist gerade 10 Uhr, trotzdem herrscht für Mitteleuropäer eine unmenschliche tropische Hitze. Die Suppe treibt Leon Schweißperlen auf die Stirn, er bestellt ein Saigon-Bier. Die Flüssigkeit verdampft in seinem Schlund, Leon ordert ein weiteres, seinem Fahrer aber gönnt er heute lediglich Mineralwasser.
Kurz danach brechen sie auf. Leon fühlt sich gestärkt, er will noch mal zu Ottos Privathaus fahren, heute allerdings wird er mutig klingeln. Er muss endlich wissen, ob Herbert Stengele dort festgehalten wird. Und er muss Markus Kluge ausrichten, dass Onkel Gunther kein Onkel mehr ist, sondern sein Vater.
Es dauert fast eine Stunde, bis das Taxi sich durch den zähen Massenverkehr in den etwas ruhigeren Außenbezirk geschoben hat. Plötzlich sieht Leon das Bürogebäude von DigDat vorbeiziehen, schnell entscheidet er anders und lässt den Fahrer umkehren. Er weist ihn an, vor die Schranke des EDV-Unternehmens zu fahren, ein uniformierter Sicherheitsmann tritt an den Wagen, Leon brüllt vom Beifahrersitz aus hinüber: »We are friends of Mr Otto.«
Der Mann salutiert devot und schiebt die Schranke ohne weitere Fragen beiseite. Der Fahrer fährt Leon bis vor den Haupteingang des Gebäudekomplexes.
Leon bleibt unschlüssig im Wagen sitzen. Der Fahrer dreht sich erwartungsvoll zu ihm um, Leon späht interessiert durch die Glastür in den Flur.
Dann beobachtet er das Firmengelände. Nach einiger Zeit erscheint eine junge Frau, die auf den Eingang zustrebt. Leon passt sie geschickt ab und steigt im richtigen Augenblick aus dem Taxi, um direkt hinter ihr her ebenfalls zum Eingang zu eilen.
Die Frau ist nur wenige Sekunden vor Leon an der Tür und öffnet sie mit einer Plastikkarte und einem Code, den sie eintippt. Die Tür springt auf, Leon nimmt sie ihr aus der Hand, schiebt sie ganz auf und bedankt sich bei ihr mit einem perfekten vietnamesischen »came-on«, wofür sie ihm ein zuvorkommendes Lächeln schenkt.
Mutig schlüpft er hinter ihr durch die Tür in die geheimnisvolle Firma. Als wäre er hier zuhause geht er zielstrebig zu den Aufzügen. Viet hatte ihm gestern erzählt, dass der Chef im fünften Stock residiert, also fährt Leon direkt in dieses Stockwerk.
Er steigt aus dem Lift und steht vor einer weiteren Glastür. Auch sie ist verschlossen. Leon sieht einen elektronischen Türöffner, kehrt um, lauert um die Ecke auf einen Mitarbeiter, um mit dem gleichen Trick auch diese Hürde zu überwinden.
Es dauert nicht
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