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Bombenbrut

Bombenbrut

Titel: Bombenbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Schütz
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hexagonale Form Verwerfungen auftreten, sodass die Herstellung der einzelnen Spiegelsegmente äußerst aufwendig ist. Die Kosten belaufen sich schon heute auf fünf Millionen Euro.
    Doch Geld, das ist für Stengele kein Argument. Er fühlt sich seinem Ziel so nah wie nie zuvor in seinem Leben. Die Ingenieure der Quarzschmelze geben dem Erfinder das Gefühl, dass sie ihn und seine Entwicklung mit Ehrfurcht achten. Die ersten Artikel über seine revolutionäre Erfindung stehen in den Fachmagazinen und auch anerkannte Professoren der berühmtesten Hochschulen für Astronomie nennen seine Berechnungen eine Sensation.
    Allerdings wird erst in der Praxis deutlich, wie diffizil die Umsetzung seiner Formeln ist. Herbert Stengele muss zum Teil neu berechnen, nachbessern, praktische Unwägbarkeiten einkalkulieren, kurzum seine Theorien der Praxis anpassen, doch gerade in dieser Phase beweist sich die Richtigkeit seiner Vision.
    Endlich kann ein Teleskopauge über beispiellose neue Spannweiten geformt werden, das ist jetzt sicher und das gestehen ihm immer mehr Koryphäen seines Fachgebietes zu. Es ist die späte Anerkennung für den Studienabbrecher vom Bodensee, auf die er jahrelang warten musste.
    Die damit verbundene Ehrung hat Stengele vor einer Woche, am Tag nach Kluges Beerdigung, erfahren. Er, Herbert Stengele, ist als Gast zur Tagung der ›Internationalen Astronomischen Union‹, kurz IAU, geladen. Die Jahrestagung findet in einer Woche in Tokio statt, er darf vor dem Fachauditorium seine neue Erfindung präsentieren, was einem Ritterschlag gleichkommt.
    Stengele ist mehr denn je davon überzeugt, dass er Schwanke endgültig nicht mehr benötigt, auch nicht Matthias oder gar dessen Sohn Markus. Er wird seine Erfindung allein verkaufen! Er ist im Kreis der erlauchten Astronomen angekommen und wird vor den einflussreichsten Angehörigen der IAU sprechen, die 86 Länder und 65 nationale Mitglieder vertreten. Für ihn ist die Einladung nach Tokio wie für einen Politiker der erste Auftritt vor der UNO.
    »Da haben Sie uns eine knifflige Aufgabe gestellt, Herr Stengele«, säuselt der leitende Ingenieur der Quarzwerke, »wir bringen einen hohen Einsatz, auch finanziell. Es gibt weltweit keine Vorgaben, an die wir uns anlehnen können. Ich glaube, dass Sie in Europa kein anderes Unternehmen finden, das Ihnen diesen Spiegel bauen könnte.«
    »Das ist mir bewusst, es gab bisher auch noch keine Berechnungen, die solche Dimensionen in Angriff nehmen. Aber Sie werden damit weltweit Bekanntheit erlangen und sicherlich Nachfolgeaufträge bekommen«, antwortet Stengele selbstsicher.
    »So einfach wird das nicht sein, Sie haben unser Werk mit Ihrem Auftrag nahezu lahmgelegt. Unsere Controller sind über den Auftrag bisher nicht erfreut.«
    »Warten Sie es ab, sobald die weiteren Hürden genommen sind, lässt sich mit exakten Zahlen rechnen.«
    »Wir haben exakte Zahlen, unsere Berechnungen der Kosten stimmen.«
    »Das kann doch nicht wahr sein? Das ist doch nicht das Kriterium«, echauffiert sich Stengele, »wir werden mit dem Spiegel so tief ins All sehen wie nie zuvor. Erst dann wird man sich über den tatsächlichen Wert meines Big Eye im Klaren sein. Als Nächstes werden die Amerikaner bei Ihnen stehen, um diesen Spiegel für ihre Forschungsstation nachzubauen, dann gibt es kein Halten mehr.«
    »Wir werden sehen«, lächelt der Ingenieur, »solange Ihre Firma Defensive-Systems die Abschlagssummen überweist, soll es mir recht sein.«
    Herbert Stengeles Augen funkeln. Er schluckt, fährt sich mit der flachen Hand durch seine schwarzen Haare, zerrt an seiner Brille. Jetzt über den schnöden Mammon zu reden, ist für ihn unter seiner Würde. Genervt winkt er ab, dann schaut er noch mal auf das Glasmodell vor sich und lächelt milde. Stolz kommt in ihm auf, so schön hatte er seine Berechnungen noch nie umgesetzt gesehen. Er betrachtet erneut ganz bewusst die Zentralachse des Spiegels. Seine Pupillen tanzen, seine Augen lachen. Am liebsten würde er es einpacken und mit nach Tokio nehmen.
    Nach drei Tagen intensiver Nacharbeiten und Berechnungen verabschieden ihn die Ingenieure vor dem Werkstor des Unternehmens. Jetzt können sie sich, mit einigen Korrekturen in der Tasche, an die Vollendung des Gesamtwerks machen. Herbert Stengele signalisiert der Ingenieurscrew noch aus dem Taxi mit einem in die Höhe gestreckten Daumen seine Zufriedenheit und spendet ihnen damit ein dickes Lob. Er ist von dem, was er gesehen hat, höchst

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