Bombenbrut
wen er vor sich hat. Frau Schwanke wohl kaum, denkt er, eher ein alterndes Flittchen. Die Frau wirkt zu obszön, ihre füllige Figur bedeckt ein knappes Stück Stoff, in dem kurzen Sommerkleidchen wirkt sie wie eine Presswurst. In ihrem Gesicht zeichnen sich noch die letzten Spuren eines verblühenden Mädchengesichts ab. Der grelle Rotstift auf ihren Lippen, die schwarz gezogene Linie um die Augen und die mit Wasserstoff gefärbten Haare erinnern an Barbie mit 50 plus. Wie soll er diese Frau begrüßen?
»Hallo!«, sagt er schließlich cool und schaut unsicher zu Schwanke.
»Ines, Liebes«, säuselt dieser süß, »lass uns noch einen Moment allein, wir fahren bald los.«
»Aber nicht zu spät«, schmollt das blonde Wesen und legt ihre Hand auf Schwankes einsames Haarbüschel. »Hase, du weißt, ich brauche in Zürich meine Zeit.«
»Ja, Liebes, aber jetzt bitte!« Schwanke lächelt zwar weiterhin, aber seine Stimme klingt nun gereizt.
»Mein Name ist Leon Dold«, nutzt Leon die Gelegenheit. Mit ausgestreckter Hand und strahlenden Augen geht er um den Tisch herum auf das XXL-Modell zu. »Freut mich, Sie kennenzulernen«, schleimt er, »wenn Sie die Dame des Hauses sind, verstehe ich, warum sich auf dieser Terrasse die Schönheiten des jungen Morgens und die Pracht der Seelandschaft vereinen.« Dabei lächelt Leon ebenso süß wie Schwanke gerade. »Gratuliere, Sie sind die Königin des Schlosses?«
Die eben noch schmollenden Lippen von Ines Schwanke schmelzen zu einem rot umrandeten breiten Lächeln, mädchenhaft senkt sie verschämt ihren Kopf, um Leon keck aus großen blauen Augen von unten herauf anzublinzeln, dabei fallen ihr einige ihrer blonden Locken ins Gesicht. Kokett streift sie die Strähnen nach hinten, strafft die Fettpölsterchen ihres Körpers, indem sie sich aufrichtet, zieht ihr enges Kleid über den prallen Hüftringen glatt und streckt Leon ihre vollen Brüste einladend entgegen.
Leon greift nach der rechten Hand der Frau, deutet einen charmanten Handkuss an und sagt formvollendet: »Gnädige Frau, viel schönere Bilder kann mir der heutige Tag wohl kaum noch bescheren.«
»Was wollen Sie denn nu?«, blafft Schwanke laut in sein seichtes Geturtel.
»Ach ja«, Leon behält die Hand von Ines Schwanke in seiner, lächelt ihr linkisch zu und fragt wie nebenbei: »Herr Schwanke, Sie können doch nicht an beide Seiten verkaufen, an die Amerikaner und die Iraner, was sagen denn überhaupt die deutschen Ausfuhrbestimmungen zu Ihren Plänen?«
»Was wissen denn Sie?«, wird Schwanke laut. Er springt von seinem Stuhl auf und geht mit zornigem Blick auf Leon zu.
»Gunther, Liebes, erreg dich doch nicht so. Du weißt, dein Arzt! Keine Aufregungen, hat er gesagt.« Ines tritt ihrem Mann schnell entgegen, legt ihre Hand besorgt auf sein Herz und steht nun zwischen ihm und Leon.
»Ich weiß, dass Sie mit dem Iran in Verhandlungen stehen, und ich habe mir die Erklärung des amerikanischen Präsidenten genau angehört. Es kann sich nach seinen Worten ebenfalls nur um Ihr Patent handeln.«
»Mein Mann versteht das auch nicht«, versucht Ines vorlaut zu schlichten und wendet sich Leon zu, »wir fragen uns, wie die Amerikaner plötzlich solch einen großen Spiegel bauen können. Mein Mann ist von der Nachricht ebenfalls völlig überrascht worden.«
»Sei ruhig«, unterbricht Schwanke das Geplapper seiner Frau streng.
»Ach was«, schwatzt Ines unbekümmert weiter, »du hast doch gestern selbst gesagt, dass jetzt, wenn die Amerikaner sowieso schon das Know-how haben, du es auch verkaufen kannst, wohin du willst!«
»Halt jetzt die Klappe!« Gunther Schwanke schlägt die Hand seiner Frau von seiner Brust, schiebt sie schroff zur Seite und macht einen weiteren Schritt auf Leon zu. »Und Sie verschwinden jetzt, oder ich lasse Sie rauswerfen.«
»Schon gut«, wiegelt Leon ab, zwinkert Ines Schwanke nochmals komplizenhaft zu und macht Anstalten, zu gehen. »Nur noch eine Frage«, setzt er trotzig nach und beobachtet dabei Ines aus seinen Augenwinkeln: »Trauen Sie Markus Kluge oder seiner Mutter Verena?«
»Pah«, platzt es aus Ines Schwanke, »dieser eingebildeten Zicke trauen?« Giftig fügt sie hinzu: »Niemals!«
»Verschwinden Sie jetzt, es ist genug!« Schwanke packt Leon grob am rechten Oberarm und bugsiert ihn von der Terrasse. »Den Weg kennen Sie ja.«
Fast hätte Leon geantwortet: ›Nur im Dunkeln.‹ Doch so schnell, wie ihm dieser Gedanke kam, schluckte er den Satz auch wieder hinunter
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