Bombenbrut
Korvette mit hochpräzisen Langstreckenraketen auf der Ostsee-Flotte ausbauen werde.
In Gang gesetzt hat der US-Präsident und Friedensnobelpreisträger die erneute Rüstungsspirale mit seinem Vorhaben, die Atomwaffen weltweit abzubauen. Dabei gehe es vor allem um die Vermeidung neuer globaler oder regionaler Rüstungswettläufe, sagt er.
Kapiert?, fragt sich Leon irritiert.
Er legt, genervt von den folgewidrigen Meldungen zu den Abrüstungsvorhaben des US-Präsidenten und den in Wirklichkeit stattfindenden rüstungssteigernden Auswirkungen, die Zeitungen beiseite.
Er schaltet den Deutschlandfunk ein, will sich nebenbei ein Spiegelei mit Speck und Schafskäse braten, da hört er schon die nächste Reaktion aus Peking: ›China hat die Entwicklung eines eigenen Raketenabwehrsystems enthüllt. Ein Test zum Abschuss anfliegender Raketen habe am Montag das erwartete Ziel erreicht, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Dienstag. Militärexperten sprachen von einem Durchbruch für die Luftverteidigung des Landes. Der Test sei defensiver Art und richte sich nicht gegen ein anderes Land, sagt die Sprecherin des Außenministeriums, Jiang Yu, in Peking.‹
Leon dreht das Radio ab, kratzt das Spiegelei aus der Pfanne auf einen Teller und setzt sich mit seinem Frühstück auf die Terrasse in die Morgensonne. Er schaut auf den See, genießt das noch morgendliche, grünliche Flimmern des Wassers, den hellblauen Himmel und plant seinen Tag: Der wichtigste Termin ist um 15 Uhr, da muss er in Friedrichshafen bei der Eröffnung des Museums sein. Das Kamerateam hat er auf 14 Uhr bestellt, somit hat er seinen Job, für den er schließlich bezahlt wird, im Griff. Zuvor hat er noch Zeit, sich um Schwanke zu kümmern.
Herrgottsack, was hat der Kerl in seinem romantischen Schlösschen am See mit dem amerikanischen Präsidenten zu tun? Ihn wird er gleich überraschen, sofort, bevor Schwanke nach Zürich zu diesem ominösen Herrn Stocks fährt – sofern er überhaupt noch hinwill und nicht tatsächlich schon alle seine Patente an die Amerikaner verkauft hat.
Eine verflixte Story. Wenn Schwanke tatsächlich heute in die Schweiz fährt, und Stocks das Geld von ihm annimmt und das Verteidigungsministerium die ZAS-Patente zum Verkauf freigibt, wem will Schwanke dann die Patente tatsächlich überlassen? Zuerst den Amerikanern und danach auch noch den Iranern?
Und viel fraglicher für Leon: Wem will er selbst diese verteufelte Räuberpistole anbieten? Diese Geschichte nimmt ihm doch kein Redakteur ab! Ein deutscher Waffenschieber in der Schweiz, der deutsche Ministerien besticht! Dafür braucht er handfeste und unumstößliche Beweise. Und dafür wiederum benötigt er diesen trägen Kommissar an seiner Seite, wie will er sonst den mysteriösen Herrn Stocks überführen?
Er ahnt, er muss die ersten Beweise, zumindest deutliche Hinweise, selbst finden. Erst dann wird sich der Kommissar bewegen. Er muss Sibold überzeugen, er muss ihn mit Fakten für sich gewinnen. Er weiß, wenn er eine Ungerechtigkeit nur riecht, springt er an.
Auch er selbst hat zunächst von diesem toten Matthias Kluge vom Seemooser-Horn nichts wissen wollen und steckt jetzt trotzdem mitten in dieser vertrackten Waffenschiebergeschichte. Er kann einfach nicht ablassen. Dazu hatte er in den vergangen Tagen viel zu viel erfahren und dabei die schillerndsten Figuren getroffen, von denen man auch als Journalist immer nur hinter vorgehaltener Hand flüstern hört. Wenn er Stocks entlarven könnte, wäre er saniert. Dann würden ihm die Medien die Story aus den Händen reißen, jeder Redakteur eines jeden Fernsehsenders würde zugreifen.
Vielleicht hat er die Chance, bei einem illegalen Waffendeal live dabei zu sein. Das wird er sich nicht entgehen lassen. Bei allen Terminabsprachen für seine aktuelle Auftragsproduktion, jetzt muss die Dokumentation über Claude Dornier hintenanstehen – er mag es ihm posthum verzeihen, aber wann hat man schon einmal einen Waffendealer vor der Kamera, der mit dem Geld des Waffenproduzenten einen Politiker, ja ein ganzes Ministerium besticht?
In der Ferne schlägt die Münsteruhr. Leon zählt mit, er kommt bis acht, dann springt er wie von einer Tarantel gestochen auf, stellt das Geschirr in der Küche ab, streift sich eine kurze Sommerhose und ein T-Shirt über und klemmt sich für den Mittag, zur Museums-Eröffnung, einige schicke Klamotten unter den Arm. Im Büro holt er seinen Kamerarekorder, um das Treffen von Schwanke
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