Bombenbrut
Gläser ein, »selbstverständlich habe ich mich Ihrer Sache angenommen. Und natürlich habe ich Ihre Informationen weitergeleitet. Aber ich habe Ihnen doch schon angedeutet, dass wir da auf einer anderen Ebene spielen. Es geht nicht um einen Eifersuchtsmord oder einen gewöhnlichen Überfall. Verdammt, hier spielt die große Politik!«
»Und in der Politik gehören ein paar Morde schnell mal zum Alltag?«
»Zumindest haben sie eine andere Gewichtung, ja!«
Leon greift zu dem Wasserglas, er trinkt gierig. Es ist ihm in dem Büro des Kommissars zu stickig. Das kleine Dienstzimmer steht voll mit Akten. Die Regale an der Wand sind gefüllt mit Leitz-Ordnern und auch der Schreibtisch des Kommissars ist übersät mit Papieren und Unterlagen. Sibold sitzt dahinter wie ein Verwalter des Chaos. Immerhin hat er auf seinem Schreibtisch Platz geschaffen für die beiden Wassergläser und sein Taschentuch, das immer griffbereit vor ihm liegt.
Leise, in einem fast verschwörerischen Tonfall flüstert er: »Ich habe Ihnen doch von dem Verdacht erzählt, dass einige ehemalige Stasiagenten diesen Kluge umgebracht haben könnten. Im Falle der Explosion des Motorbootes gilt als sicher, dass so eine perfekte Vernichtung des gesamten Tatortes – es gibt wirklich keinerlei Spuren mehr, wir wissen weder welcher Sprengstoff verwendet wurde noch wie der Zündmechanismus ausgelöst wurde oder ob das Boot von außen mit einer zielgenauen Bombe in die Luft gesprengt wurde, nichts, rein gar nichts wissen wir – deshalb glauben alle involvierten Stellen, dass nur Agenten eines professionellen Geheimdienstes so eine glatte Tat bewerkstelligen können.«
Leon lehnt sich in seinem Stuhl zurück. Diese Räuberpistole des Kommissars will er nicht glauben. Noch wohnt er an seinem idyllischen Bodensee. Zugegeben, Waffen werden hier in dem Ferienparadies geschmiedet. Aber zur Hölle, deshalb findet doch nicht der Krieg auf seinem friedlichen See statt. Alles, was die Firmen am See produzieren, ist doch im Rahmen des ganz normalen Rüstungswahnsinns.
Aber der Kommissar legt eine Schippe drauf: »Sie können auch einfach zwei und zwei zusammenzählen: Die Iraner wollen offensichtlich diesen verdammten Spiegel von Defensive-Systems, warum sonst waren sie auf dem See genau vor Schwankes Firma. Schon zuvor standen sie mit Matthias Kluge in Verhandlung, er aber wurde vor Vertragsabschluss umgebracht. Allem Anschein nach haben die Iraner nicht aufgegeben, sie wollen diese verdammte Waffe, also kommen sie erneut, um Defensive-Systems zu besuchen, diesmal mit drei Unterhändlern über den unauffälligen Seeweg. Aber: Peng! Die Gegenseite ist auf Draht. Nach dem Mord an Kluge werden auch sie kurzerhand liquidiert und im See versenkt.«
Leon schluckt: »Von wem? Wer ist die Gegenseite? Ihre Stasiagenten?«
»Ja, sind Sie denn wirklich von vorgestern? Von Leuten natürlich, denen der Deal überhaupt nicht passt.«
»Und wer soll das sein?«
»Sicherlich gefällt das Geschäft weder den Amerikanern, noch den Russen oder gar den Chinesen. Sie sind die drei Großmächte, die sich nicht von den Iranern die Butter vom Brot nehmen lassen.«
»Und«, stichelt Leon, »haben Sie einen Chinesen oder Russen gefasst?«
»Oder Ami«, knurrt der Kommissar. »Quatsch! So offensiv auf deutschem Boden zu morden, das traut sich nicht jeder Geheimdienst.«
»Nur die Stasi?«
»Schon mal was von Mossad gehört?«
Entgeistert sperrt Leon seinen Mund auf. Er will etwas sagen, aber der Kommissar redet schon weiter. »Und jetzt wissen Sie auch, warum ich hier die Schriftführerarbeiten meines Angelvereins erledige und Protokolle der letzten Vorstandssitzungen tippe: Ich habe mich da rauszuhalten, das ist eine dienstliche Anweisung meines direkten Vorgesetzten. Die Kollegen vom Staatsschutz kümmern sich um den Fall. Genauer gesagt vom BND, wenn die auch gar nicht dürften, aber das ist wieder ein anderes Kapitel.«
Leon will zeigen, dass er sich sehr wohl in der Welt der Geheimdienste auskennt, und gibt schnell dazwischen: »Der BND darf nur im Ausland aktiv werden.«
Der Kommissar winkt ab, er hat sich in Rage geredet und will sich nicht unterbrechen lassen: »Auch der israelische Geheimdienst darf nach deutschem Gesetz nicht hier rumfuhrwerken, schon gar nicht morden! Das darf überhaupt kein Geheimdienst. Aber da fragen die Israelis nicht lange nach. Zwar gibt es keine Lex Mossad, trotzdem füttert der BND die Israelis immer mit den gewünschten Informationen.
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