Bombenbrut
Fahrt.
»Ich war heute Morgen dabei, wie unser angesehener Herr Schwanke dem ominösen Herrn Stocks zwei Millionen Euro übergab. Herr Stocks hat versprochen, das Geld heute Mittag noch nach Berlin zu bringen. Ein Staatssekretär im Verteidigungsministerium soll dafür sehr empfänglich sein.«
Sibold schnappt nach Luft. Er greift zu seinem feuchten Stofftaschentuch und fährt sich damit über die Glatze. Das verschmutzte Tüchlein saugt kaum mehr die darauf stehenden Schweißperlen auf. »Scheißheiß«, sagt er und holt eine Mineralwasserflasche aus seinem Schreibtisch. Er setzt die Flasche an seine Lippen und gurgelt sie leer. Dann rülpst er sanft, nuschelt kurz: »Entschuldigung!« Und wiederholt mürrisch: »Scheißheiß!«
»Im Fernsehen bietet der Kommissar seinen Gästen meist einen Schluck Wasser oder gar einen Kaffee an«, stichelt Leon.
»Im Fernsehen bittet der Kommissar die Zeugen ins Kommissariat. Haben Sie mich bitten hören?«
»Herr Sibold, ich kann nichts für Ihren Job. Sie hatten doch sicherlich freie Berufswahl. Also, was sollen wir jetzt tun? Und was hat sich wegen der Motorbootexplosion ergeben?«
Der Kommissar atmet erneut tief durch. Seine Hand fährt durch sein Gesicht, rubbelt über die Knollennase und streicht durch seinen feuchten, wild abstehenden Haarkranz.
Als hätte er so seine schlechte Laune weggewischt, schaut er nun Leon freundlicher an und gesteht mit tonloser Stimme: »Mir sind die Hände gebunden. Ich will Ihnen helfen, weiß aber nicht, wie. Ich musste meinen Chef und er den Staatsschutz informieren. Der Fall ist eine Nummer zu groß für uns. Wie soll ich denn in Berlin auf die Schnelle Ihren sauberen Herrn Stocks beschatten lassen? Und dann noch einen Staatssekretär?« Er greift wieder zu seinem Stofftuch, fährt sich erneut über die Glatze und seinen Nacken und flucht plötzlich laut: »Herrgottsack, Sie haben keine Ahnung von Dienstwegen und Amtszuständigkeiten. Aber diesen Hurescheiß, den Sie mir erzählen, der stinkt gewaltig zum Himmel.«
»Und was haben Ihre Schweizer Kollegen aus Uttwil berichtet, fällt denen außer Hurescheiß auch nichts ein?«, lacht Leon über den schweizerischen Fluch, den der schwäbische Kommissar übernommen hat.
Horst Sibold winkt ab: »Das macht die Sache nicht einfacher. Sicher ist, dass drei Iraner das Boot in Bregenz gemietet hatten. Interessant daran ist, dass sie, direkt aus Teheran kommend, auf dem Flugplatz Rheintal in der Nähe von St. Gallen gelandet sind, und von dort zu dem gecharterten Boot nach Bregenz aufbrachen. Worauf sie am gleichen Mittag in See gestochen sind und schon wenige Stunden später ist ihr Boot in die Luft geflogen.«
»Zufällig während des Gewitters«, ergänzt Leon.
Der Kommissar nickt zustimmend: »Ja, das glauben die Kollegen auch. Die Explosion fand rein zufällig gleichzeitig mit dem Gewitter statt. Es gibt vielmehr Hinweise, dass die drei Iraner im Regierungsauftrag unterwegs waren. Ihr Flugzeug jedenfalls war eine staatliche Maschine. Sie ist am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe, mit den ersten Starts, die freigegeben wurden, wieder aus Europa verschwunden. Aus Teheran liegen keine weiteren Nachfragen vor, weder zu dem Unfallhergang noch überhaupt eine Anfrage zum Verbleib der drei Männer. Sehr ungewöhnlich.«
»Und was weiß man über den Unfallhergang, sofern man überhaupt von einem Unfall sprechen kann?«
Der Kommissar seufzt, steht auf, geht in eine Ecke seines kleinen Dienstzimmers, greift in eine Kiste Randegger Mineralwasser, nimmt eine Flasche heraus und setzt sich wieder hinter seinen Schreibtisch. Nebenbei murmelt er missgestimmt: »Wo keine Klage, da auch keine Ermittlung! Niemand fordert eine Aufklärung, warum sollen sich die Kollegen anstrengen? Der See ist tief, es gibt keine wirklichen Anhaltspunkte, selbst von den Leichen ist nichts mehr aufzufinden, sie werden, in mehrere Glieder zerfetzt, in Frieden auf dem Seegrund ruhen.«
»Und der Bootseigner?«
»Offiziell bleibt es bei einem Blitzschlag. Dadurch wird die Versicherung dem Charterer den Sachschaden begleichen. Von Menschenleben redet niemand, da sich keine Hinterbliebenen melden.«
»Drei tote Iraner, da ermittelt die Polizei nicht? Und dann noch der Hinweis, dass es ein Anschlag, ein Mord ist, und trotzdem keine Untersuchungen?«
»Ach, Dold, Sie sind doch auch nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen«, runzelt der Kommissar seine dunklen Augenbrauen und schenkt das Mineralwasser in zwei
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