Bombenbrut
schon immer nur Dollarzeichen in den Augen.« Jede seiner Aussagen bekräftigt Stengele mit einem weiteren Schluck kaltem Weißwein.
Leon hält sich mit dem Trinken zurück. Er muss noch nach Hause fahren. Deshalb bleibt er beim für ihn freudlosen Mineralwasser und schielt zum Fernseher, der bereits lief, als er kam. Dabei sieht er den amerikanischen Präsidenten und die deutsche Bundeskanzlerin. Auch der Verteidigungs-und der Wirtschaftsminister stehen zum Gruppenfoto für die Journalisten bereit.
Leon greift zur Fernbedienung und stellt den Ton lauter. Auch Herbert Stengele dreht sich zu den Abendnachrichten im Fernsehen, nebenbei nimmt er einen weiteren kräftigen Schluck aus dem Weinglas.
Beide sehen zu, wie der US-Präsident und die Bundeskanzlerin gemeinsam ein Abkommen unterzeichnen. Der Wirtschaftsminister lächelt und erklärt in seinem Pfälzer Dialekt voller Stolz in die Kamera: »Dieses Abkommen verdeutlicht die Zusammenarbeit der USA und Deutschlands in dem Bestreben, gemeinsam für Frieden und Sicherheit in der Welt einzustehen.«
»Was haben die jetzt wieder verbrochen?«, fragt Herbert Stengele unwirsch und geht zu seinem PC. »Die Nachrichten im Fernsehen taugen lediglich für einen schnellen Überblick«, mosert er an Leons Adresse, »was wirklich in der Welt passiert, zeigt ihr doch längst nicht mehr.«
Leon hebt abwehrend seine Hände: »Ich bin dafür nicht verantwortlich. Vielleicht wollen die Zuschauer aber gar nicht mehr erfahren, vielleicht ist ihnen die Welt längst zu kompliziert geworden?«
Herbert Stengele ist mit seinen Gedanken wieder bei seinem Spiegel. Er hat im Internet den Passus der Vereinbarung, den die beiden Staatsführer eben unterschrieben haben, gefunden: »ITAR!« schreit er, »heißt der Unterwerfungsvertrag, den der Herr Wirtschaftsminister gerade hoch gelobt hat, ITAR.«
Leon tritt hinter Stengele und überfliegt die Abmachung: Die ITAR-Bestimmungen der Vereinigten Staaten beschränken den Export rüstungsrelevanter Artikel ins Ausland, auch die Weitergabe innerhalb der NATO-Staaten an Ausländer gilt als Export.
Und deutlich, explizit für alle Weltall-Technologien, besagt ein Passus: ›Die Zusammenarbeit zwischen ESA und NASA bei allen aktuellen Missionen ist genauso davon betroffen wie die Wartung von amerikanischen Militärflugzeugen durch die NATO-Partner.‹
»So ist das!«, schimpft Herbert Stengele, »wir sind die Befehlsempfänger der Amerikaner.« Dann atmet er tief ein und bläst seine Wangen auf, bevor er, mit einem hohen Pfeifton, die Luft wieder ablässt. »Jetzt kann Gunther einpacken. Er kann meine Patente nach diesem Abkommen nicht mehr verkaufen, an niemanden! Denn in der NATO herrscht die USA, und die haben mir alles geklaut, die bauen meinen Spiegel längst im Mauna-Kea-Observatorium in Hawaii nach. Das war’s dann.«
»Man könnte meinen, die Politik reagiert gerade parallel zu Ihren beziehungsweise Schwankes Bestrebungen, Ihre Patente zu verkaufen«, staunt Leon.
»Was heißt da ›parallel‹? Das SDI-Programm ist alt genug, es stammt noch aus der Reagan-Zeit, aber damals galt ein Krieg der Sterne für viele als Hirngespinst, jetzt wächst allerdings die reale Gefahr und die Einsicht: Es gibt keinen Krieg der Sterne, aber einen Krieg im All, und der ist in vollem Gang.«
»Leute wie Sie schüren ihn, bis vor ein paar Wochen habe ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht, aber seit ich über Ihren Spiegel und Ihren toten Freund Kluge gestolpert bin …«
»Pah! Lesen Sie keine Zeitungen, Herr Journalist?«, blafft Stengele. »Gerade haben die Amerikaner ein Raumschiff gestartet. Aber nicht die NASA, sondern die US-Streitkräfte. ›Space Plan‹ heißt das Kriegsschiff. Man muss das Kind eben beim Namen nennen. Der Krieg im All findet längst täglich statt.«
»Und Sie? Sie wollen daran verdienen.«
»Ja, das kann man mir vorwerfen«, gibt Stengele zögernd zu und nippt etwas zurückhaltender an seinem Glas, »aber zurück führt nun kein Weg mehr. Ich habe mir das auch anders vorgestellt.«
»Was haben Sie gedacht? Dass die Entdeckung des Alls ein Spaziergang ist wie das Suchen nach Pilzen im Wald? Schon nach der ersten Mondlandung haben die Amerikaner freimütig eingeräumt, es ginge um neue Bodenschätze und damit um die wirtschaftliche Überlegenheit gegenüber anderen Staaten, oder etwa nicht?«
»Oder um das Überleben der Menschheit, daran habe ich geglaubt.« Stengele schaltet den Fernseher aus und schaut Leon
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