Bombenspiel
Plastikmünze in der Größe eines Eurostücks. Mit diesem Coin war das Drehkreuz am Eingang zu den Umkleidekabinen zu öffnen, wenn man vom benachbarten Hotel in den Thermenbereich ging.
»Kommen Sie damit heute Nachmittag um 14 Uhr noch einmal in die Therme. Seien Sie pünktlich! Im Schließfach mit der Nummer 199 wird ein weißer Bademantel hängen, darüber zwei weiße Handtücher drapiert. Wundern Sie sich nicht über das Gewicht. Tauschen Sie Ihre Handtücher und Ihren Bademantel aus und schließen Sie den Schrank wieder ab. Das ist alles. Haben Sie noch Fragen?«
»Werde ich erfahren, was Sie wirklich vorhaben?«
Der Warzige fasste ihn scharf ins Auge und senkte seine Stimme zu einem Flüstern, das fast vom Rauschen des Wassers verschluckt wurde. Doch ganz nah an seinem Ohr hörte der deutsche Arzt die Worte: »Je weniger Sie über die Sache wissen, desto besser ist das für Sie. Sie haben geschworen, mit niemandem darüber zu reden.«
»Man würde mich töten?«
Der Südafrikaner tauchte mit seinem Kopf unter, blieb für Sekunden unter Wasser verschwunden und kam direkt vor ihm wieder hoch. Seine Hände lagen wie Eisenklammern auf seinen Schultern und er ahnte, dass es für den Mann ein Kinderspiel sein würde, ihn einfach unter Wasser zu drücken und zu ertränken.
»Nicht Sie. Ihre Frau! Ihre Tochter! Ihren Sohn! Und Sie erst ganz zum Schluss. Vielleicht … Vielleicht würde man sich aber vorher noch um Ihre Kollegin kümmern.«
Der Arzt schluckte trocken. Was wussten sie von Ulrike?
»Diese blonde langbeinige Anästhesistin, die Sie bumsen, wenn Ihre Frau glaubt, Sie seien auf einem Kongress oder auf Dienstreise.« Er machte eine Pause, um die Wirkung seiner Worte abzuwarten, nahm die Pranken von den Schultern seines Gegenüber und tätschelte ihm aufmunternd die Wangen. Als der Arzt betreten schwieg, fuhr er fort: »Das muss genügen. Die Zeit ist um. Sie sollten das Bad jetzt verlassen. Ich bleibe noch ein wenig hier. Es kann nichts schaden, wenn wir im videoüberwachten Bereich nicht zusammen gesehen werden.«
Der Deutsche nickte und wollte schon zu einer Schwimmbewegung ausholen, als er plötzlich den Griff des Warzigen wie eine Handschelle um sein Armgelenk spürte. Dessen Mund näherte sich dem Ohr des Arztes, der trotz des Thermalwasserdufts die intensive Knoblauchfahne roch, die ihm entgegenschlug.
»Ich kann Sie übrigens verstehen«, sagte der Südafrikaner leise, »diese Ulrike ist wirklich eine Granate im Bett.«
Sein Lachen mischte sich mit dem Gurgeln des Wassers, als Goldbäck untertauchte und sich mit zwei Schwimmstößen aus dem halbrunden Massagebereich entfernte. Er hatte mit einem Mal das Gefühl, dass das Wasser kälter geworden war. Merklich kälter. Als er auftauchte und zurückblickte, war der Warzige im Nebelgrau des kalten Albmorgens verschwunden.
Samstag 20. März, Menzenschwand, Schwarzwald - Noch 82 Tage
Das Tal mit dem schmalen Flüsschen namens Alb, das sich durch die verschneite Landschaft des Schwarzwalds schlängelte, war ein Paradies für Langläufer. Die Loipen waren seit Tagen gespurt, und schon in den frühen Morgenstunden waren die ersten Wintersportler in der kalten Luft unterwegs.
Der ›Hirschen‹ lag verträumt in der Mittagssonne, die sich nach langem Aufstieg mühevoll ihren Weg über die Schwarzwaldhügel im Osten gebahnt hatte, und jetzt von Süden her das Tal erwärmte, nur für wenige Stunden, und viel zu kurz, um die Schneemassen zum Tauen zu bringen. Draußen auf der Terrasse des gemütlichen Traditionshotels, von dessen Stirnseite bunte Fahnen und der künstliche Kopf eines Hirsches die Besucher grüßten, hatte Susanne, die junge Wirtin, die ersten Liegestühle aufgestellt, und einige Gäste, die, angelockt von der guten Küche des Hauses, hier zu Mittag gegessen hatten, gönnten sich eine Ruhepause in der Wintersonne, mit Wolldecken gegen die kalte Luft geschützt.
Linda Roloff kam mit ihrer elfjährigen Tochter Sarah jeden Winter für ein verlängertes Wochenende hierher. Diesmal waren einige Freunde und auch Alan dabei. Von Tübingen aus benötigte sie keine zwei Stunden über die A81 und dann durch den Schwarzwald, am romantischen Titisee vorbei, Richtung Feldberg, vorm Schluchsee rechts ab und über ein paar Serpentinen bergauf und bergab hinunter in das Hinterdorf, den verträumten, am Ende des Albtals gelegenen Ortsteil von Menzenschwand.
Es war Urlaub für die Seele, denn Gottfried, der aus dem Schwäbischen stammende
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