Bombenspiel
prächtige Wirt und Chefkoch und seine reizende Frau Susanne verwöhnten ihre Gäste in dem altehrwürdigen Haus nicht nur kulinarisch. Jeder Abend, den Linda mit ihren Freunden und der Wirtsfamilie in der gemütlichen Gaststube verbrachte, war geprägt von Herzlichkeit und viel Gelächter, und gekrönt von der Spezialität des Hauses, den selbst gebrannten Himbeergeist.
Dieser war nicht nur eine hervorragende Verdauungshilfe für den üppig garnierten ›Fallschirmjägerteller‹, den Linda traditionsgemäß am ersten Abend genoss, sondern auch ein Schelmenstück von Gottfried par excellence. Nicht nur, dass der Himbeergeist in seinem Haus einfach dem Schwarzwälder Kirsch den ersten Rang in der Beliebtheitsskala ablief, nein, Gottfried krönte den puren klaren Schnapsgenuss noch durch Hinzufügen einer tiefgefrorenen Himbeere und stellte außerdem die Spielregel auf, dass der Klare auf Ex zu trinken war und dabei die Frucht aus dem Glas gekippt werden musste. Wem dies nicht gelang, war für die nächste Runde Himbeergeist zuständig. Dies war allerdings leicht zu manipulieren und Gottfried machte sich immer wieder einen Spaß daraus, gewissen Gästen die Himbeere besonders tief und fest ins Glas zu drücken.
Alan Scott spürte an seinem Brummschädel, dass er am Abend zuvor offensichtlich von Gottfried zum ›Schluckspecht‹ auserkoren worden war, ständig war seine Himbeere im Glas zurückgeblieben, und die nächste Runde unvermeidlich gewesen. Nach fünf Himbeergeist hatte er aufgehört zu zählen und irgendwann festgestellt, dass sich Gottfried in sein Schlafzimmer zurückgezogen hatte. Er wusste heute nicht mehr, wie und wann er wirklich ins Bett gekommen war.
Er war allein aufgewacht. Linda war offensichtlich schon aufgestanden und auf der Loipe unterwegs und Sarah hatte sich nach dem Frühstück ins Spielzimmer verkrochen. Alan blieb noch ein paar Minuten mit geschlossenen Augen liegen, um seinen Träumen nachzuhängen. Linda und er. Die Frau, derentwegen er Afrika verlassen hatte. Sie hatte es geschafft, ihn mit ihrem Lächeln um den Finger zu wickeln, ihn mit ihrer Liebe an sich zu binden und ihm Herzklopfen zu verursachen, wenn er nur an sie dachte. Ein Kerl wie du, dachte er, der sich in Afrika sein Steak vom Löwenriss holt und zu Fuß durch eine Büffelherde spaziert, verliebt sich über beide Ohren in eine deutsche Journalistin und gibt seine Freiheit für sie auf.
Manchmal warf er sich vor, ein Narr zu sein, dann, wenn sie ihn Abend für Abend versetzte, weil ein Nachtdienst den anderen jagte und sie ein geplantes gemeinsames Essen wieder nicht in ihren Kalender eingetragen hatte. Idiot, sagte er zu sich selbst, wenn er stundenlang auf die Beantwortung einer SMS wartete und ihn das Handy schwarz und stumm anstarrte. Und dann, Stunden später, wenn sie ihn aus dem Schlaf klingelte und er ihre Stimme hörte, war aller Zorn vergessen und er lag ihr wieder zu Füßen.
Er war ihr verfallen, das spürte er, doch er wusste auch, dass es nicht ewig so weitergehen konnte. Er brauchte einen Job, wollte nicht nur von ihr abhängig sein. Und er sehnte sich nach Afrika. Mehr, als er Linda gegenüber zugab.
Mühsam hievte er seinen Oberkörper aus dem Bett, blieb einen Augenblick sitzen, um den Schwindel in seinem Kopf in den Griff zu bekommen und schwor sich, nie wieder auf Gottfrieds Himbeergeist hereinzufallen. Der Mann aus Afrika war den deutschen Schnaps einfach nicht gewöhnt.
Er trank höchstens einen Gin Tonic, wenn er Touristengruppen durch die Reservate am Samburu oder Tana führte, im Amboseli den Anblick des Kilimanjaro bei Sonnenuntergang genoss oder in der Hemingway-Bar die abenteuerlichen Geschichten erzählte, die seine Kunden hören wollten.
Im Bad empfing ihn der kalte Schauer der Dusche, machte ihn mit einem Schlag hellwach und brachte ihm den Winter Deutschlands ins Bewusstsein. Er frottierte sich trocken und betrachtete, während er sich in dem gemütlichen Hotelzimmer anzog, die Eislandschaft vor seinem Fenster. Es hatte noch einmal geschneit in der durchzechten Nacht, wie gezuckert grüßten die Schwarzwaldtannen von den Hängen, die das Tal an drei Seiten einrahmten, riesige Eiszapfen hingen von den Firsten der benachbarten Häuser, und vom Dach des ›Hirschen‹ schoben sich lawinenverdächtige Schneebretter von oben in sein Blickfeld.
Alan Scott fröstelte, obwohl das Hotelzimmer gut geheizt war. Es wurde ihm erneut klar, dass er den deutschen Winter hasste. Er war nur auf
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