Bombenspiel
die Richtung des anderen. Er musterte dessen Gesichtszüge. Dunkle Haare, durch das Wasser wie am Kopf festgeklebt, die Haut glatt rasiert. Tränensäcke unter den Augen, Falten und Warzen entstellten das Gesicht.
»Skywalk.« Mit Mühe übertönte er das Rauschen der Wasserspeier.
Der Warzige sah kaum merklich auf und nickte. »Dr. Goldbäck? Deutscher Arzt?«
Der Angesprochene bejahte. Er spürte die wohltuende Kraft des Thermalwassers auf seiner verspannten Rückenmuskulatur. Ein guter Treffpunkt. Nicht nur im Nebel anonym und durch das Wasserrauschen für Abhörwanzen untauglich, sondern auch gesundheitsfördernd. Er würde die Therme wieder besuchen. Privat. Ohne sich dabei mit einem warzigen Südafrikaner zur Absprache einer Verschwörung zu treffen. »Und Sie sind …?«
Der Mann unterbrach seine Frage unwirsch. »Unwichtig. Wir haben hier eine klare Abmachung. Sie bekommen von mir Ihre Instruktionen. Ich stelle zuerst die Fragen und Sie antworten. Danach umgekehrt. Fünf Minuten dafür. Sind Sie soweit?«
Der Arzt nickte und schwieg. Irgendwie hatte er nicht mit einem Weißen gerechnet, als es hieß, er werde sich in der Limes-Therme mit jemandem aus Südafrika treffen.
»Sie wissen, wofür wir Sie brauchen?« Das Deutsch des Südafrikaners klang fast akzentfrei. Ob er wirklich aus Südafrika stammte, ließ sich weder aus seiner Stimme noch aus seinem Gesicht herauslesen.
»Ja. Ich habe die Anweisungen bekommen.«
»Und Sie sind dem gewachsen?«
Stummes Nicken.
»Und was bewegt Sie, bei uns mitzumachen? Sie sind ein Weißer.«
Die Antwort kam ohne Zögern: »Das Geld.«
»Gut. Sie wissen, dass Sie als Kurier auf afrikanischem Boden arbeiten müssen?«
»Ich fliege in drei Monaten.«
»Wohin? Addis Abeba?«
»So wurde es mir gesagt. Ich soll am Tanasee auf weitere Instruktionen warten.«
»Das ist gut. Die Phiolen kommen aus Nasana in Zentralafrika. Dort ist das Labor. Sie wissen, was Sie dann zu tun haben?«
»Nicht genau.«
»Es werden zwei Phiolen sein. Unzerbrechlich. Außer bei einer Detonation. Sie werden diese beiden Phiolen von Äthiopien nach Südafrika schaffen. Als Teil Ihres Arztgepäcks. Sie müssen vor Beginn der Weltmeisterschaft dort eintreffen. Mit Ihrer Hilfe werden wir die Phiolen in das Moses-Mabhida-Stadion in Durban schleusen. Dort findet, wie geplant, am 13. Juni das erste Spiel der Deutschen statt. Wir haben die Sicherheitssysteme im Griff. Danach ist Ihre Aufgabe beendet. Alles Weitere erledigen unsere Männer vor Ort. Gut, dass Sie schon als Mannschaftsarzt gearbeitet haben. Es war leicht, Sie als Ersatz für Dr. Maier-Fuchsberger in das DFB-Team einzuschleusen.«
»Ich war 2006 vor der WM Assistenzarzt von Dr. Maier-Fuchsberger und habe dann zwei Jahre lang in der Volleyball-Bundesliga praktiziert. Unter anderem in Friedrichshafen.«
»Wir sind informiert. Sie kennen auch das deutsche Team.«
»Ja. Ich war in Moskau dabei.«
Der andere nickte und Goldbäck fuhr fort: »Ich kenne Löw schon seit meinem Studium in Freiburg. Er hat mich damals beim DFB empfohlen.«
Der Warzige sah auf seine wasserdichte Armbanduhr. »Ist uns bekannt. Noch zwei Minuten. Jetzt Ihre Fragen.«
»Was passiert mit Maier-Fuchsberger, während ich zum Einsatz komme?«
»Wir kümmern uns um ihn.«
»Es wurde mir zugesichert, dass ihm nichts passiert.«
»Dann werden wir uns daran halten. Ich schätze, er wird sich eine kleine Tropenkrankheit holen und für ein, zwei Spiele ausfallen.«
»Diese Phiolen. Was ist ihr Inhalt?«
Der Warzige sah ihn an und seine Augen hatten etwas Stechendes. »Diese Frage sollten Sie nicht stellen. Nicht heute und nie wieder. Sie bekommen viel Geld für eine vergleichsweise geringe Gegenleistung. Machen Sie Ihren Job, wir kümmern uns um den Rest. Kein Mensch wird je von Ihrer Teilnahme an unserem Projekt erfahren. Weitere Fragen?«
»Was mache ich, wenn ich die Phiolen übergeben habe?«
»Ihre Mission ist dann beendet und zu Ihrer eigenen Sicherheit sollten Sie während des Spiels nicht im Stadion bleiben. Es wird Ihnen schon was einfallen.«
Die Stimme klang schneidend und der Arzt fröstelte trotz des warmen Wassers. Er schwieg und beobachtete die Nebelschwaden über dem Thermalbecken. Schließlich fragte er: »Man hat mir gesagt, eine halbe Million sofort als Anzahlung …?«
»Ist hinterlegt. Hier.« Der Südafrikaner reichte ihm einen Schließfachschlüssel, der an einem roten Armband befestigt war. In einer schwarzen Hülse steckte eine blaue
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