Bombenspiel
hatte sie alle im Visier. Den Inder, den Araber, den Xhosa und den Zulu. Nur ein Name fehlte noch: der des geheimnisvollen Drahtziehers. Er hörte die Wellen des Atlantiks heranrauschen und dachte an die Endlichkeit des Lebens. Seine Mission war fast beendet.
Er verließ die Terrasse, holte einen roten 2005er Cabernet Sauvignon aus dem Weinregal neben dem Kamin und ging in die Küche, um die Flasche zu entkorken. Kim hatte die Spülmaschine ausgeräumt und reichte ihm zwei Gläser aus der Vitrine neben dem Kühlschrank.
»Aber nur halb voll«, sagte sie, »ich bin müde vom Laufen.«
Leonard nickte und goss den Wein ein. Er beobachtete Kim, wie sie sich bewegte, elegant selbst hier in der Küche, die vom Duschen noch nassen Haare gaben ihr etwas Wildes, Unbezähmbares, und Leonard fühlte das Verlangen in sich aufsteigen, mit ihr zu schlafen. Sie hatten sich etwas auseinandergelebt, seit er die Doppelbelastung seines geheimen Auftrags und die Tarnung als Bauingenieur unter einen Hut bringen musste.
Jetzt, wo seine Aufgabe fast erledigt war, würden sie wieder mehr Zeit füreinander haben. Er stellte die Weingläser ab, als Kim sich bückte, um eine Pfanne in einem der unteren Schränke zu verstauen und näherte sich ihr zärtlich. Als sie sich aufrichtete, glitten seine Hände unter ihr T-Shirt.
»Bitte, Leonard. Nicht jetzt. Ich muss mit dir reden. Es ist wichtig …«
»Okay«, flüsterte er in ihr Ohr, »ich mache nur rasch die Terrassentür zu.«
Kim stützte sich auf die Arbeitsplatte, die fast die ganze Schmalseite der Küche einnahm und wartete mit geschlossenen Augen. Ihre Gedanken waren in weiter Ferne. Als sie den gedämpften Mündungsknall hörte, rannte sie ins Wohnzimmer.
Leonard Merheim hatte auf den Mann gestarrt, der im Wohnzimmer mit der Waffe im Anschlag auf ihn gewartet hatte. Er hatte keine Möglichkeit gehabt, eine Frage zu stellen, keine Chance, sein Leben zu retten.
Der Fremde blickte ihn für den Bruchteil einer Sekunde an, grinste und drückte ab. Die Kugel drang durch die Stirn in die Schädeldecke und Merheim stürzte rückwärts zu Boden. Ungläubiges Entsetzen sprach aus den toten, weit aufgerissenen Augen, die zur Decke starrten, ein feines rotes Rinnsal suchte sich seinen Weg aus dem Loch in der Stirn über die Schläfe und tropfte am Ohr vorbei zu Boden, wo sich eine kleine Lache bildete.
Bushman sah die Frau in der Tür stehen und legte seinen Zeigefinger als Zeichen des Schweigens auf den Mund. Doch als sie schrie, schrill und laut, als sich Panik und Todesangst in diesem heißeren Kreischen entluden, das wie eine Sirene die abendliche Stille durchschnitt, zielte er erneut und drückte ab.
Der Kopfschuss streckte auch sie zu Boden, sie fiel auf die Seite und ihre Hand berührte dabei den nackten Unterarm Leonards. So fanden eine halbe Stunde später die von Nachbarn alarmierten Beamten des South African Police Service SAPS die Leichen.
Die Spur des Mörders, der zwei Menschen mit gezielten Kopfschüssen hingerichtet hatte, verlor sich in der Brandung des Atlantischen Ozeans.
Montag, 7. Juni 2010, Diani Beach, Kenya - Noch 3 Tage
Der Indische Ozean lag wie ein sich kräuselndes blaues Tuch im roten Licht der aufgehenden Sonne, der weiße Strand leuchtete fast orange und das Segel einer Dhau weit draußen vor der Riffkante durchschnitt den glühenden Ballon, der soeben scheinbar einem Bad in den Fluten entstiegen war.
Linda Roloff war zum Sonnenaufgang an den Strand gegangen, um das wunderbare Farbenspiel zu genießen. Sie hatte an der Hotelrezeption problemlos einen Flug mit der Inlandsfluggesellschaft African Blue gebucht, vom nur fünf Minuten entfernten Flughafen in Ukunda zur Keekorok-Lodge in der Massai Mara, und am späten Nachmittag weiter nach Nairobi, wo am Abend ihre Maschine nach Johannesburg starten würde.
Bisher war alles ohne Zwischenfälle verlaufen. Sie war, wie schon auf früheren Reisen nach Mombasa, mit einem der Touristenbusse an die Südküste gefahren und am Diani Beach ausgestiegen. Im Hotel, neben dem Alan Scott immer noch seine Hütte hatte und seine Mitarbeiter Hochseefischen für Touristen anboten, buchte sie ein Zimmer für eine Nacht und regelte ihre Weiterreise. Jetzt ließ sie die letzten zehn Minuten an der Küste Kenyas verstreichen, bevor sie das Taxi zum Flughafen brachte.
Wie oft war sie hier mit Alan entlang spaziert. Sie erinnerte sich an den Trip auf der Marlin II, an die lange Fahrt in den Aberdares und an ihre erste
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