Bombenspiel
fest. »Ich habe kein Desinfektionsmittel da drin. Das hätte ich Ihnen gleich sagen können!«
Alan Scott ließ den geifernden Arzt stehen, ging zu Monique und fischte seinen Flachmann aus der Hosentasche.
»So ein Idiot!«, murmelte er, während er sich bückte und etwas von der goldgelben Flüssigkeit aus der Aluflasche über den Akaziendorn auf Moniques Fuß träufelte. Er packte den Dorn zwischen Daumen und Zeigefinger und zog ihn mit einem Ruck heraus. Monique zischte und er spürte ihre Hand auf seiner Schulter.
»Jetzt tut’s noch mal weh«, warnte er und goss reichlich Alkohol auf die blutende Wunde. Ausgerechnet der gute 16-jährige Laphroaig, dachte er, während er das Pflaster auspackte.
Monique bedankte sich auf Französisch und mit einem charmanten Lächeln.
Alan nahm einen Schluck Whisky aus seinem Flachmann. Der deutsche Arzt würdigte ihn keines Blickes mehr.
Moses-Mabhida-Stadion, Durban
Der Stahlbogen, der sich wie ein gigantischer Bumerang über das futuristische Bauwerk spannte, war beeindruckend, obwohl Linda von ihrem Blickwinkel aus nur das Fundament des Bogens erkennen konnte, bis zu der Stelle, wo er das Stadiondach berührte. Davon, dass es sich bis vor wenigen Monaten um eine Großbaustelle gehandelt hatte, war am Moses-Mabhida-Stadion nicht mehr viel zu erkennen. Baumaschinen und Container waren verschwunden, die Anlagen begrünt und Linda suchte vergeblich nach einem offenen Tor, um in das Innere des Stadions zu gelangen.
Während des Flugs von Nairobi nach Johannesburg hatte sich Linda entschieden, nicht zu Alan auf die Farm Olifants Goud zu fahren. Sie hielt es für besser, sich zunächst um die Vergangenheit von Henning Fries zu kümmern, um ihre Unschuld zu beweisen.
Es war ihr schwer gefallen, während der Flüge von Ukunde nach Keekorok und von dort nach Nairobi nicht ständig an Alan zu denken. Zu nah war ihr hier sein Afrika. Die Simba King Lodge, auf der er einige Zeit gearbeitet hatte, war nur wenige Kilometer von Keekorok entfernt, ebenso das Massaidorf, in dem sie damals eine aufregende Nacht verbracht hatten. Ihre erste gemeinsame Reise hatte sie durch halb Kenya geführt, von Mombasa in die Aberdares und schließlich in die Massai Mara, wo sie auf die Spuren der Nashornwilderer gestoßen waren.
Kenya war sein Land, Afrika seine Heimat. Während sich das Massiv des Kilimanjaro an den Fenstern der Propellermaschine vorbeischob, war ihr klar geworden, dass er sich in Deutschland nie richtig wohl fühlen würde und das machte sie traurig.
Auf der N3 war sie von Johannesburg Richtung Süden gerauscht, vorbei an einer Stadt mit dem vertrauten Namen Heidelberg. Der weiße Toyota Corolla, den sie für die nächsten Tage gemietet hatte, machte einen guten Schnitt und sie hatte gehofft, das fast 580 Kilometer entfernte Durban – für Südafrikaner ein Katzensprung – noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Dort, so viel wusste sie aus den Gesprächen mit Karin, hatte Henning Fries auf der Stadionbaustelle gearbeitet.
Während der langen Fahrt hatte sie genügend Zeit gehabt, sich einen Plan zurechtzulegen. Sie musste versuchen, herauszufinden, was hinter Hennings seltsamen SMS-Botschaften steckte. Dazu würde sie zunächst seinen ehemaligen Arbeitsplatz in Durban aufsuchen. Die Bauarbeiten waren inzwischen längst abgeschlossen, Bilder des futuristischen Baus mit dem begehbaren Stahlbogen, der zu einem neuen Wahrzeichen Durbans werden sollte, waren durch Fernsehen und Zeitungen um die Welt gegangen.
Südafrika hatte die Kritiker Lügen gestraft und alle neu zu bauenden Fußballstadien fristgerecht fertiggestellt. Die WM würde das Land in den nächsten Wochen in den Fokus der Weltöffentlichkeit rücken, die Hotels waren ausgebucht, Lodges und Farmen verzeichneten Besucherrekorde und Linda konnte von Glück sagen, dass sie noch einen Mietwagen bekommen hatte. Wegen eines Zimmers in Durban machte sie sich keine allzu großen Hoffnungen, irgendwo würde sie schon unterkommen.
Da sie das Stadion jetzt zu Fuß umrundete, entdeckte sie auf der Straßenseite, gegenüber des zweiteiligen Fundaments am anderen Ende des Skywalk, noch drei einsame Baucontainer, die dort wie verlassene Fertiggaragen abgestellt worden waren und einen unbewohnten Eindruck machten. Die Aufschrift deutete darauf hin, dass noch die Bauaufsicht Quartier bezogen hatte, um die allerletzten Innenarbeiten zu überwachen und dann rechtzeitig vor der Eröffnung der WM in drei Tagen
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