Bombenspiel
Flussschleife, im Schatten einer alten Feige. Er hatte Teppiche, gekühlte Getränke inklusive Sekt für die Damen und Snacks dabei und wusste, dass sich kaum einmal Löwen oder Leoparden auf das Plateau über dem Fluss verirrten. Trotzdem hielt er während der Anfahrt die Augen offen und suchte im Sand nach Spuren. Doch bis auf die Abdrücke von Schakalen und Mangusten konnte er nichts entdecken.
Er parkte den Wagen unter den weit überhängenden Ästen der Feige, bat seine Gäste, noch zwei Minuten sitzen zu bleiben und stieg selbst aus. Um Schlangen und Warane zu verscheuchen, ging er einmal um den dicken Stamm des Baumes herum, trat dabei fest auf und jagte mit lautem Klatschen eine Horde Meerkatzen in die Flucht. Zwei Milane flogen davon, und nur die Flughunde, die im dichten Blätterdach des alten Baumes zur Tagesruhe hingen, ließen sich nicht stören. Ein Trupp der seltenen Weißschwanzgnus zog ruhig in einiger Entfernung vorüber, nichts deutete auf die Nähe von Raubkatzen hin.
Alan ließ seine Gäste aussteigen. Er hatte sie schon vor Beginn der Tour mit den Gepflogenheiten im Busch vertraut gemacht und bereitete das Picknick vor, während sie die Umgebung mit ihren Fotoapparaten erkundeten. Auch der deutsche Arzt Dr. Goldbäck zog los, obwohl ihn die Aussicht auf den Hippo-Pool im Fluss und die riesigen Krokodile, die hier gewöhnlich auf den Sandbänken ruhten, eher langweilten.
Alan hatte gerade die Decken ausgebreitet und die ersten Behälter mit Eiern, Karotten, Äpfeln und Brot aus dem Jeep getragen, als Monique, eine junge Französin, humpelnd aus dem Busch zurückkehrte. Er erhob sich aus seiner gebückten Haltung und ging auf sie zu. »Was ist passiert?«, fragte er.
»Isch muss in was ’reingetreten sein. Tut ziemlisch weh. Hier unten«, sie deutete auf ihren linken Fuß.
Sie war inzwischen bei ihm angelangt und er sah sich die Stelle an. Die schlanken, noch ungebräunten Beine steckten in offenen Sandalen, und direkt über der dünnen Sohle hatte sich ein zentimeterlanger Akaziendorn durch die Haut gebohrt. Alan schüttelte den Kopf. Dass es die Stadtladies auch nie lernten, im Busch festes Schuhwerk zu tragen. Das Blut floss in einem dünnen Faden aus der Wunde und verschwand im Schuh.
»Können Sie die Sandale ausziehen und sich hier auf die Kiste setzen?«
Die Französin nickte und kämpfte gegen ihre Tränen. Alan wusste, dass diese Dornen höllisch schmerzten, zumal wenn sie, wie es hier aussah, ziemlich tief im Fleisch steckten.
»Ich hole nur was zum Desinfizieren, Sekunde«, beruhigte er sie und ging zum Wagen. Die Verbandstasche lag griffbereit seitlich des Fahrersitzes und Alan war es gewohnt, Safariverletzungen aller Art professionell zu behandeln. Er fluchte, als er die Tasche öffnete und ausgerechnet die Flasche mit dem Desinfektionsmittel fehlte. Das kam davon, dass Jeff alle Fahrer mit jedem Wagen fahren ließ, und sich keiner für die Ausstattung und Wartung zuständig fühlte. Desinfektion war notwendig, schon jetzt konnten Staub oder Dreck in die Wunde gelangt sein.
Alan sah sich um. Plötzlich fiel sein Blick auf den Rucksack des deutschen Arztes, den er sonst noch nie im Wagen zurückgelassen hatte. Ohne zu zögern, öffnete er den Reißverschluss, in der Hoffnung, darin Desinfektionsspray zu finden. Pflaster, Binden, Schere, andere Instrumente, kleine Ampullen – und dann blieb sein Blick bei einem kleinen Metallkästchen hängen. Er las die Schrift auf einem kleinen Aufkleber, N’kuwaloobo Medical Clinic, Nasana , und öffnete die Schnallen. Zwei kugelförmige Glasfläschchen mit langem Hals funkelten darin, gefüllt mit einer gelblich-weißen Flüssigkeit. Seine Finger tasteten danach, als ihn Goldbäcks Schrei herumfahren ließ.
»Was haben Sie da zu suchen? Machen Sie sofort den Rucksack zu!« Goldbäcks Gesicht war rot angelaufen, zornig funkelten seine Augen und Speichel troff aus seinem Mund.
»Wir brauchen Desinfektionsmittel«, erwiderte Alan ruhig und ließ den Rucksack offen.
»Das ist mir scheißegal!«, schrie Goldbäck. »Machen Sie, dass Sie von meinem Gepäck wegkommen, verdammt noch mal!«
»Immer mit der Ruhe«, entgegnete Alan und trat einen Schritt zurück. Monique beobachtete mit lang gestrecktem Hals wie ein äsendes Gerenuk die Auseinandersetzung der beiden Männer. Doch zu ihrer Enttäuschung schien Alan klein beizugeben.
»Wie kommen Sie dazu, in meinen Sachen rumzuschnüffeln?«, bellte Goldbäck und hielt den Rucksack krampfhaft
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