Bombenspiel
ebenfalls von der Bildfläche zu verschwinden.
Linda überquerte die Straße und klopfte an die Stahltür des ersten Containers. Im Innern schien alles leer zu sein. Kein Licht, verdreckte Scheiben, verlassene Schreibtische und leere Schränke, das war alles, was sie beim Blick durch eines der Fenster entdeckte. Sie versuchte es bei dem zweiten Container ebenfalls vergeblich und schließlich beim dritten. Hilfe suchend sah sie sich um.
Noch einmal legte sie beide Hände als Blendschutz an die Stirn und versuchte, im schummrigen Innern des letzten Containers etwas zu erkennen. Dort stand wenigstens ein Bildschirm auf dem Schreibtisch und mehrere Stapel Papier lagen wohl geordnet daneben. Hier wurde zumindest noch gearbeitet.
Sie schrie auf und fuhr herum, als sich eine Hand auf ihre rechte Schulter legte. »Verzeihen Sie, aber darf ich fragen, was Sie hier zu suchen haben?«
Sie blickte in die nachtdunklen Augen eines Prinzen aus Tausendundeiner Nacht. Schwarze, von Gel glänzende Haare quollen unter dem weißen Turban hervor, der das bronzene Gesicht mit der scharf gebogenen Adlernase fast einzurahmen schien. Die schlanke Figur steckte in einem zweiteiligen indischen Salwar Kameez aus feiner Baumwolle.
»Ich … ich suche … ich bin auf der Suche …«, stammelte sie, während der Inder mit einem Schlüsselbund rasselte, die Tür des Containers aufschloss und eintrat. Er hielt ihr die Tür auf und sie folgte ihm hinein.
»Ich war eine Freundin von Henning Fries«, erklärte sie und fragte sich, ob die Nachricht von Hennings Ermordung schon bis auf die Baustelle vorgedrungen war. Doch warum auch nicht? Unter Umständen hatten Hennings Kollegen in Durban schneller von seinem Tod erfahren als seine Freundin in Deutschland.
»Tragisch, das mit Henning«, antwortete der indische Märchenprinz betroffen. »Mein Name ist Raghunandan Rajah. Mein Container wird übermorgen abtransportiert.« Er schloss die Tür, schaltete den Ventilator ein und bat Linda, Platz zu nehmen.
Linda wartete. Noch war sie sich nicht sicher, wie viel sie dem Mann anvertrauen konnte.
»Henning Fries wurde erschossen, hat man uns gesagt. Sind Sie deshalb hier?«
Was sollte diese Frage? Linda wich aus. »Ja und nein. Ich bin Journalistin und komme eigentlich wegen der WM nach Südafrika«, log sie.
»Möchten Sie das Stadion sehen?« Rajahs Stimme klang freundlich und er ergänzte: »Immerhin war es so etwas wie Hennings Kind. Er war jeden Tag hier auf der Baustelle.«
»Wenn es Ihnen keine Mühe macht«, nahm Linda sein Angebot dankbar an.
Raghunandan Rajah führte sie über die Straße und unter der alles überragenden Front des riesigen Baus durch eine fast unsichtbare kleine Tür ins Innere des Stadions. »Das ist nicht der Publikumseingang«, erklärte er. »Ich habe auch nicht die Zeit, Ihnen den ganzen Komplex zu zeigen. Leider«, fügte er charmant lächelnd hinzu, »aber wenigstens die Dachkonstruktion müssen Sie gesehen haben, und natürlich den Skywalk.«
Minuten später starrte Linda staunend auf das imposanteste Stadiondach, das sie je gesehen hatte. Dicke Metallseile schienen die silbern glänzende Membran an dem gigantischen Stahlbogen aufzuhängen, der sich in seinem Scheitelpunkt, genau über dem Anspielpunkt in der Stadionmitte, wie ein Ypsilon teilte.
»Dort oben haben Sie den besten Ausblick über die Stadt, auf den Indischen Ozean und bis hoch in die Drakensberge«, erklärte Raghunandan Rajah. »Sie können entweder von Süden aus über Treppen zu Fuß hoch, oder von Norden aus per Fahranlage. 100 Meter dem Himmel von Durban entgegen. Ich glaube, Henning Fries war sehr stolz auf dieses Bauwerk.«
Linda schwieg kurz, um nachzudenken. »Gibt es jemanden, mit dem Henning besonders gut befreundet war?«
»Warum möchten Sie das wissen?« Seine Stimme klang plötzlich ungewöhnlich streng.
»Na hören Sie mal. Henning Fries war ein guter Freund von mir. Er kommt direkt aus Südafrika nach Deutschland und stirbt plötzlich und unerwartet. Ich komme zwei Tage später nach Südafrika, dann ist es ja wohl erlaubt, dass ich mich erkundige, was er hier zuletzt noch gemacht hat und mit wem er zu tun hatte!«
»Sicher. Doch Sie wissen ja wohl auch, dass Fries … keines natürlichen Todes gestorben ist. Und ich habe irgendwie das Gefühl, dass die Journalistin in Ihnen darin eine Story wittert.«
»Und wenn es so wäre?« Linda war genervt. Dieser indische Facharbeiter hatte ihr keine Vorschriften zu machen, selbst wenn
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