Bombenspiel
letzten Mal Freunde zum Braai, dem traditionellen südafrikanischen Grillen, in seinem Garten eingefunden hatten? Monate? Jahre?
Seit die nächtlichen Raubzüge der schwarzen Banden in den weißen Wohngebieten wieder zugenommen hatten, Überfälle in den schwach beleuchteten Nebenstraßen an der Tagesordnung waren und sich immer mehr Schwarze erdreisteten, sich in den Vorgärten und sogar mitten in den Gartengrundstücken weißer Hausbesitzer einzunisten, war keiner seiner Freunde mehr seinen Einladungen gefolgt. Sie schimpften alle über die neue Politik Südafrikas, die den Schwarzen dieselben Rechte einräumte wie den Weißen, doch keiner unternahm etwas dagegen, er war der Einzige, der sich der ›Afrikaner Weerstandsbeweging‹ gegen Mandela angeschlossen hatte.
Er hatte es satt. Satt, wie ein Gefangener im eigenen Land zu leben, nach außen abgeschottet durch Elektrozäune und Gittertore, Stacheldraht und Selbstschussanlagen. Seit über zehn Jahren sah er zu, wie das Land seiner Väter, Land, für das sie ihr Blut gegeben hatten, verrottete und verfaulte, wie das, was sie geschaffen hatten, vor die Hunde ging.
Sein Hass hatte sich ins Unermessliche gesteigert, nachdem in die leer stehende Villa der Boers eine ganze Zulusippe eingezogen war und den gepflegten Garten innerhalb weniger Tage in ein Elendsquartier für ihre gesamte Verwandtschaft verwandelt hatten.
Er war einer der letzten Weißen, der hier noch die Stellung hielt, in Capetown waren ganze Siedlungen von ihren weißen Besitzern verlassen worden, Häuser wurden geplündert und Gärten verwüstet, während ihre Besitzer bei der Arbeit waren, ohne dass die Regierung etwas dagegen unternahm.
Vor zwei Jahren hatte er seinen Vetter Jaap in Orania besucht, da war die Welt noch in Ordnung und ausschließlich weiß. Hier war der Traum der Apartheid Wirklichkeit geworden, ein weißes Heimatland. Warum konnte es nicht in ganz Südafrika so sein? In Orania hatte er Professor Strijdom getroffen und sein Plan, nein, seine Vision war greifbare Realität geworden.
Jetzt, einen Tag vor der Erfüllung dieses Traums, stand plötzlich alles auf dem Spiel.
Sonntag, 13. Juni 2010, Royal Natal Nationalpark, KwaZulu-Natal - Der Tag des Spiels
Nach einer Übernachtung in Belleville erreichten Linda und Karin am frühen Morgen die Drakensberge. Karin hatte sofort angeboten, Linda zu begleiten, und der war es nicht unwohl, dem unbekannten Informanten nicht allein begegnen zu müssen. Sie hatte Alan noch eine kurze SMS über ihr Vorhaben geschickt, jedoch keine Antwort erhalten.
Im Norden der Drakensberge, auf einer Höhe von immerhin 1.600 Metern, lag das Lower Tendele Camp, ein beliebtes Touristenziel im Hochtal des Tugela River, mit atemberaubender Aussicht auf die Felswand des 500 Meter hohen und fünf Kilometer langen, senkrecht abfallenden Amphitheaters inmitten des Royal Natal Nationalparks.
Unter anderen Umständen hätte Linda den Anblick genossen, diese majestätischen Berge der Drachen , die nichts anderes sind als das Ergebnis einer Millionen Jahre andauernden Flusserosion. Quathlamba – Wand der Speere nennen die Zulu den steil abfallenden Bergrand, dessen Gipfel Linda unwillkürlich an die wilden, zerklüfteten Schluchten des Grand Canyon oder die Türme in den Arches erinnerten.
Sie hatte Paul Dhlomo auf dem Handy angerufen, als sie die Hütten des Camps erreicht hatten und sah kurz darauf einen hoch gewachsenen Mann, der sie an die Massai Ostafrikas erinnerte, hinter einem Zuckerbusch hervortreten und ihr zuwinken. Das musste er sein, der Maschinenbauingenieur, der sich selbst als Kollege und Freund von Henning Fries bezeichnet hatte.
Er begrüßte Linda mit dem ihr geläufigen afrikanischen Dreiergriff und sie stellte Karin als Hennings Freundin vor.
»Raghu erzählte mir, Sie seien hier, um die Todesumstände von Henning Fries aufzuklären«, kam er ohne lange Vorrede auf den Punkt. »Tragisch, dass er so ums Leben kommen musste.«
Linda stimmte zu. »Können Sie sich erklären, wer ein Motiv haben konnte, ihn umzubringen?«, begann sie vorsichtig.
»Das ist schwer zu sagen. Ein erfolgreicher Mann wie Henning hatte viele Neider. Einige Bauingenieure aus Südafrika hätten gerne seine Stelle gehabt.«
»Aber warum hat man ihn erst jetzt getötet, als der Bau vollendet war?«
Paul Dhlomo zuckte die Schultern. »Wir stehen alle vor einem Rätsel. Raghu meinte, Sie bringen das Stadion in Verbindung mit seinem Tod? Haben Sie dafür
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