Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
und BKA informiert. Schließlich war der Winkelmann ein hohes Tier im Innenministerium und ein politischer Hardliner. Was meinst du wohl, wie die sich sputen werden.«
»Ja, und? Die brauchen doch mindestens eineinhalb Stunden, bis sie ihren Kram zusammengepackt haben und von Mainz bzw. Wiesbaden hierher zu uns gefahren sind. Bis dahin ist die Sendung doch schon längst vorüber. Verfluchte Hacke!«
»Junge, die sind doch zur Zeit in Landstuhl bei dieser Sondertruppe und bereiten den Besuch des US-Präsidenten vor. Folglich …«
»Folglich sind die schon bald da, meinst du?« Tannenberg strahlte. »Das wäre ja spitze! Da könnte ich mich ja vielleicht wirklich gleich wieder abseilen.«
Kurze Zeit später trafen sie am Museumsplatz ein. Das parkähnliche Gelände unmittelbar vor der Pfalzgalerie wurde gerade von uniformierten Polizeibeamten weiträumig abgesperrt. Tannenberg fuhr über die mit Glasscherben, Erde und Grasbüscheln übersäte Villenstraße und parkte direkt vor den rot-weißen Trassierungsbändern.
»Sieht aus wie ein Bugspriet«, sagte der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission, als er die aus mehreren rotgespritzen Stahlträgern zusammengeschweißte Plastik sah.
»Wie sieht was aus?«, fragte Dr. Schönthaler verdutzt.
»Ach, du weißt wohl nicht, was ein Bugspriet ist, hab ich recht?«
»Doch, aber ich möchte wissen, ob du es weißt. Erklär mal!«
Tannenberg grinste über beide Ohren. »Das ist dieser schräg über den Bug hinausragende Mast – quasi die Spitze eines Segelschiffs. Weiß ich, weil ich mit Tobi schon einige Bausätze zusammengebastelt habe.«
Der Rechtsmediziner hatte den größten Teil des letzten Satzes schon nicht mehr richtig mitbekommen. Er war bereits nach rechts abgebogen und bewegte sich auf den Sockel des Museumsgemäuers zu, wo sich unter einer silbernen Plane der – offensichtlich sitzende – Tote befand.
Sein Freund dagegen lief geradeaus weiter. Er trippelte die mit unzähligen Glasstücken bestreute Museumstreppe hinauf. Etwa auf halber Höhe der Treppe blieb er stehen, drehte sich um und betrachtete nun das unwirkliche, gespenstische Szenario von dieser erhöhten Blickposition aus.
Mitarbeiter der Spurensicherung schalteten gerade zwei leuchtstarke Halogenscheinwerfer an. Grelle Lichtkegel bohrten sich in die etwa fünf Meter breiten und circa zwei Meter tiefen Krater hinein. Die beiden Kunstobjekte waren mitsamt ihrer Betonfundamente nach vorne in die Erdlöcher hineingekippt. Der sogenannte ›Zahnstocher‹ wies wie ein ausgestreckter Zeigefinger direkt auf die Sandsteinfassade der Pfalzgalerie hin. Die im Volksmund abschätzig als ›Ofenrohr‹ bezeichnete, chromfarbene Edelstahlplastik erinnerte Tannenberg unwillkürlich an einen überdimensionierten, verbeulten Motorradauspuff.
Auf einem gepflasterten Weg, der die beiden modernen Kunstwerke voneinander trennte, entdeckte er Karl Mertel, der sich gerade erhob und zu ihm herüberschaute. Tannenberg bedachte ihn mit einem stummen Gruß. Der altgediente Kriminaltechniker nickte kurz zurück. Dann drehte er ihm den Rücken zu, ging ein paar Meter weiter und kniete sich vor einer auf der Seite liegenden Konifere nieder, neben der ein einzelner Herrenschuh lag.
»Wolf, kommst du bitte mal zu uns«, hörte er urplötzlich Sabrinas Stimme von rechts. »Ich möchte dir gerne die Kollegen vorstellen, mit denen ich gerade einen kleinen Kneipenbummel unternommen habe, als es passiert ist.«
Tannenberg riss seinen Blick, der den linken Krater fixierte, abrupt aus dem hellerleuchteten Erdloch und suchte seine junge Kollegin. Um besser sehen zu können, warf er eine Hand als Blendschutz vor die Stirn. Blinzelnd entdeckte er Sabrina, die inmitten eines Trosses von Männern gerade aus dem Dunkel auftauchte. Dem Leiter des K 1 war natürlich sofort klar, um wen es sich bei den zivil gekleideten Beamten handelte.
»Guten Abend, die Herrschaften, schön, dass Sie so schnell den Weg hierher gefunden haben«, begrüßte Tannenberg seine Kollegen aus den Staatsschutzabteilungen mit einer derart übertriebenen Freundlichkeit, dass bei Sabrina Schauß umgehend die Alarmglocken zu läuten begannen.
Schließlich wusste sie nur allzu gut, dass solchen verbalen Ouvertüren meist die berühmt-berüchtigten sarkastischen Provokationen ihres Vorgesetzten folgten. Natürlich konnte sie nicht ahnen, dass ihr Chef es diesmal durchaus ernst gemeint hatte, wollte er doch so geschwind wie nur irgend möglich zurück zu
Weitere Kostenlose Bücher