Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
er. »Stimmt’s, oder hab ich recht?«
»Jaaaa«, zog sein Freund das einsilbige Wort in die Länge.
»Nun zum zweiten Grund: Es brodelt auch deshalb in dir wie in einem Vulkan kurz vor dem Ausbruch, weil du ebenfalls von dem gemeinen, hinterhältigen Spiel dieses brutalen Mörders betroffen warst. Und zwar existentiell betroffen! Regelrechte Todesangst hast du sogar gehabt.«
»Du übrigens auch«, bemerkte Tannenberg mit ruhiger Stimme, »wenn ich dich dezent daran erinnern dürfte.«
»Richtig, ich auch«, seufzte Dr. Schönthaler, »hätte ich doch glatt vergessen.« Er schlug sich an die Stirn. »Ach, gerade eben ist mir noch ein Grund eingefallen, der schwer auf deinem Gemüt lastet.«
»Und welcher?«
»Einer mit drei Buchstaben – na?«
Während Wolfram Tannenberg lediglich mit einem fragenden Blick reagierte, antwortete Sabrina an seiner Stelle: »L – K – A.«
»Volltreffer!« Der Rechtsmediziner prostete der jungen Kriminalbeamtin, die ihm schräg gegenüber saß, lachend zu.
»Du tust mir wirklich leid, mein armer einsamer Wolf«, säuselte Sabrina und streichelte sanft über die Wange ihres Chefs. »Aber, wie du siehst, kennen wir dich einfach zu gut.«
»Ja, wir können inzwischen sogar deine Gedanken lesen«, pflichtete Dr. Schönthaler ihr triumphierend bei. »L – K – A. – Drei Buchstaben, die deinen Puls sofort in die Höhe schnellen lassen. Und warum?« Er wartete einen Augenblick, dann präsentierte er genüsslich die Antwort: »Nur, weil du so ein eitler Fatzke bist und niemandem außer dir zutraust, diesen überaus interessanten, kniffligen Fall zu lösen, richtig?«
»Bei diesem unqualifizierten Ermittlerteam, das mich leider tagtäglich umgibt, ist diese Einschätzung doch wohl auch nur allzu verständlich, oder?«, konterte Tannenberg schlagfertig. Lachend prostete er jedem zu. »Aber Rainer, du hast es wirklich mal wieder voll erfasst.«
Er schnellte wie von einem Katapult geschossen von seinem Stuhl empor, zog eine Kassette aus der Innentasche seines Sakkos und hielt sie in die Höhe. »Deswegen fangen wir am besten gleich mal mit der Ermittlungsarbeit an unserem neuen Fall an.« Süffisant grinsend ergänzte er: »Der ja eigentlich in den Zuständigkeitsbereich des Landeskriminalamtes fällt. Eine reine Formalie, die wir im Hinblick auf die von Dr. Schönthaler gerade dargelegten Gründen natürlich nicht akzeptieren können.«
»Und was ist da drauf?«, fragte Sabrina Schauß neugierig.
Verwundert schob Tannenberg die Augenbrauen zusammen. Doch dann veränderte sich seine Mimik, sein zuvor verkniffenes Gesicht leuchtete geradezu auf. »Stimmt. Du warst ja im Übertragungswagen gar nicht dabei, als ich dem Regisseur den Auftrag gegeben habe, mir die Erpresseranrufe zu kopieren.«
»Natürlich ohne Wissen des L – K –A«, ergänzte Mertel.
»Natürlich.« Der Kommissariatsleiter begab sich zu einer Regalwand, in der ein Kassettenrecorder ein ansonsten recht unbeachtetes Dasein fristete. Er versorgte ihn mit Strom und spulte die Kassette zurück. Dann drückte er die Starttaste
Gebannt lauschten die Kriminalbeamten und Dr. Schönthaler der ersten mitgeschnittenen Dialogsequenz. Tannenberg ging unterdessen zu einer großen Tafel und schrieb die Worte ›Anruf‹, ›Uhrzeit‹, ›Gesprächsinhalt‹ und ›Besonderheiten‹ darauf. Dann malte er unter den ersten Begriff die Ziffer ›1‹.
Er drückte die Pausentaste. »Wie spät war es etwa beim ersten Anruf?«, fragte er in die Runde.
»Ich schätze mal: circa Viertel vor neun«, meinte der Rechtsmediziner, korrigierte sich aber gleich anschließend. »Nein, wohl eher früher. Ach, was weiß denn ich. Ich hab einfach kein gutes Zeitgedächtnis. Außerdem hab ich nicht andauernd auf die Uhr geschaut. Wann war denn die erste Werbepause?«
»So irgendwie um diese Zeit rum.«
»Aber der erste Anruf muss ja schon ein paar Minuten früher im Ü-Wagen eingetroffen sein, nicht wahr, Wolf?«
»Ja, denke ich auch. Aber es kommt im Moment nicht auf ein paar Minuten an. Das können wir später genauer rekonstruieren. Dieser Lottner und sein Team werden uns bestimmt exaktere Zeitangaben liefern.«
Nachdem Wolfram Tannenberg die ungefähre Uhrzeit an die Tafel geschrieben hatte, zeigte er wortlos auf den nächsten Begriff. Er lautete ›Gesprächsinhalt‹.
Diesmal antwortete Mertel: »Erstens – die Forderung: Der Erpresser will die Geldkoffer mit den vermeintlichen 10 Millionen Euro haben. Zweitens – die
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