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Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Titel: Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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die mit gelblichem Gitterglas hinterlegte, klobige Haustür.
    Während die junge Kriminalbeamtin läutete, sondierte ihr Chef die Umgebung. Schräg vor ihm breitete sich eine gepflegte Gartenanlage aus, deren Zentrum eine winterlich vergilbte Rasenfläche bildete. Um sie herum waren akkurat geschnittene Rosensträucher, Zierbüsche und Koniferen angeordnet. Neben der Dachrinne entdeckte er ein paar Gartenzwerge, die Schubkarren und andere Werkzeuge in ihren Händen hielten.
    In Zeitlupe öffnete sich die Alutür.
    »Haben Sie ihn gefunden?«, hauchte eine dünne Stimme durch den kaum mehr als eine Handbreit geöffneten Türspalt, der nur ganz langsam breiter wurde.
    Der Anblick versetzte Tannenberg unwillkürlich einen Stich ins Herz. Vor ihm stand eine zierliche, kaum mehr als einen Meter fünfzig große Frau, deren Alter schwer abzuschätzen war. Es mochte irgendwo zwischen sechzig und siebzig Jahren liegen. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, so als käme sie gerade von einer Beerdigung. Ihr Gesicht war aschfahl, die braun gefärbten Haare unfrisiert, die Augen leer und rotgeädert. Der schmale, farblose Mund war von den hängenden Mundwinkeln aus gesehen wie die Sichel eines Mondes zur Nase hin emporgewölbt.
    »Ihre Kollegen haben heute Nacht schon gesagt, dass sie meinen Mann nicht erreichen können«, fuhr die Frau fort.
    Verdammt, die waren schon hier, schoss es Tannenberg durchs Hirn. Daran hab ich überhaupt nicht gedacht,
    »Haben Sie ihn gefunden?«, wiederholte sie nahezu tonlos. »Ist er tot?«
    Wolfram Tannenberg bedachte Sabrina mit einem scharfen Blick. Sie wusste ihn sofort richtig zu deuten: Es war die Aufforderung, zu schweigen und ihm die Gesprächsführung zu überlassen.
    Um auf diese unerwartete Situation angemessen reagieren zu können, musste er unbedingt Zeit gewinnen. Er schluckte hart, bevor er ausweichend antwortete: »Wollen wir nicht besser ins Haus gehen?«
    Spontan entschloss er sich dazu, die Frau anzulügen. Er brachte es einfach nicht übers Herz, sie mit der schrecklichen Wahrheit zu konfrontieren.
    Sie würde garantiert zusammenbrechen. Und dann könnten wir keine Informationen mehr von ihr einholen, versuchte er sein fragwürdiges Handeln zumindest ein wenig vor sich selbst zu rechtfertigen.
    Da auf der Hand lag, dass die Frau mit ›seinen Kollegen‹ höchstwahrscheinlich die LKA-Beamten gemeint hatte, fand er umgehend ein weiteres Argument: Sollen die das doch tun, die sind ja schließlich auch zuständig. Wir verhalten uns einfach so, als ob wir von der Sache am Hungerbrunnen überhaupt nichts wüssten.
    Frau Klöckner entfernte kraftlos die faltige Hand vom Türblatt und drehte sich um. Mit hängenden Schultern schlurfte sie in einen engen, dunklen Flur hinein. Tannenberg und Sabrina schlichen ihr nach. Sie betrat ihr Wohnzimmer und ließ sich matt auf einen Couchsessel niedersinken. Die beiden Kriminalbeamten nahmen ihr gegenüber auf einem Dreisitzersofa Platz.
    Tannenberg ließ seinen Blick durch den recht kleinen Raum schweifen. Eiche rustikal bestimmte hier das Ambiente. Für seinen Geschmack stand hier eindeutig zu viel und vor allem zu klotziges Mobiliar herum. Er empfand die Einrichtung geradezu als erdrückend. Vielleicht war dieses spontane Beklemmungsgefühl aber auch auf die schweren Gardinen zurückzuführen. In Verbindung mit dem diesigen Novemberlicht erzeugten sie nämlich eine gruftähnliche Atmosphäre. Einen Moment lang dachte er daran, das Licht einzuschalten, verwarf den Gedanken aber sogleich wieder.
    Über dem Fernsehgerät hing ein großes Holzkreuz, daneben ein Marienbild. Auf dem Glastisch zwischen ihm und der deprimierten Frau lag ein Rosenkranz.
    Er holte tief Luft, räusperte sich. Er faltete seine Hände und legte sie in den Schoß. »Wir können Ihnen leider nichts Neues über Ihren Mann sagen«, begann er. »Es tut mir wirklich leid, aber wir müssen Sie bitten, uns einige Fragen zu beantworten.« Erneut räusperte er sich. »Auch wenn Ihnen meine Kollegen möglicherweise heute Nacht schon einmal dieselben Fragen gestellt haben. Wären Sie dazu bereit?«
    Gerda Klöckner nickte.
    »Danke. Dürfte ich Sie zunächst um ein Foto Ihres Mannes bitten.«
    »Da im Schrank stehen welche«, gab sie leise seufzend zurück.
    Tannenberg erhob sich und begab sich zu einer mächtigen Schrankwand aus dunklem Eichenfurnier. Dieses wuchtige Möbelstück füllte die gesamte Raumseite aus. Als er die dort aufgestellten Familienfotos sah, raubte es ihm fast den

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