Bonbontag
mit dem Aufzug, die Polizisten nahmen die Treppe.
Vor der Wohnungstür stand ein Mann, auf dessen Gesicht noch die verblassten Überreste des Zorns zu erkennen waren. Als er die Behördenvertreter sah, kam wieder Leben in seine Miene, die Rage erhielt frische Farbe. Von Kopf bis Fuß spannte er sich an, keinen Fingerbreit würde er nachgeben.
Die große Frau hatte einige Meter Abstand von dem Mann genommen und stand am Rand der Treppe. Ihre Reaktion war genau umgekehrt, die Anspannung in ihrem Gesicht ließ nach, wodurch etwas Kindliches, fast Weinerliches zu Tage trat.
Sie sprachen beide gleichzeitig, gestikulierten. Die mit einem blutigen Taschentuch verbundene Faust des Mannes fiel sofort auf.
»Toll, dass ihr kommt ... Die Situation ist die, dass ...«
»Ich verlange auf der Stelle ...«
Katri hob die Hand mit der Autorität einer Dirigentin, verstärkt durch die Polizeikapelle in ihrem Rücken. Mann und Frau verstummten auf der Stelle.
»Einer nach dem anderen«, sagte Katri. Dann übergab sie ihrer Kollegin vom Jugendamt das Wort.
Sie war dieser Helena Lind nie zuvor begegnet, erkannte aber die Unsicherheit und Not der Anfängerin. Während ihrer sprunghaften Schilderung wartete der Mann brav ab, bis er an die Reihe kam. Dann erzählte Pentti Holm kurz und klar seine Version. Die Polizisten hüstelten im Hintergrund.
»Was ist denn da passiert?«, fragte Petri mitfühlend und deutete auf die Hand des Mannes.
»Meine Frau ... die ehemalige ... hat mit einem Messer herumgefuchtelt.«
Katri sah Helena fragend an.
»Ich habe es nicht gesehen«, murmelte Helena.
Katri versuchte rasch, die Situation zu erfassen. Auf der einen Seite Herr Holm, seine Tochter, seine Ex-Frau. Auf der anderen Seite der Schriftsteller Ari und ein Junge namens Tomi. Die Wege beider Parteien kreuzten sich hier. Befand sich in der Wohnung nun ein Kind oder nicht?
Katri klopfte leicht an die Tür.
»Katri Korhonen vom sozialen Notdienst.«
»Hallo«, wurde auf der anderen Seite geantwortet. Der Schriftsteller schien die Lage mit dem Ohr an der Tür verfolgt zu haben.
»Sie können jetzt aufmachen«, sagte Katri.
Die Tür ging auf.
»Kommen Sie rein«, konnte Ari gerade noch sagen. Dann flog Katri zur Seite, weil Pentti Holm in die Wohnung stürmte. Im nächsten Augenblick hatte er den Schriftsteller an der Gurgel gepackt.
»Du verdammter Scheißkerl ... wo ist das Mädchen?«, schrie Holm. Beide Männer stürzten im Flur zu Boden.
Katri spürte einen erneuten Stoß, als die Polizisten an ihr vorbeieilten. Wenige Sekunden später hatten sie Herrn Holm fest im Griff.
Der kreidebleiche Ari rappelte sich auf und betrachtete verwundert die Blutflecken auf seinem Hemd.
»Befindet sich hier ein Kind?«, fragte Katri.
»Sind noch mehr Leute in der Wohnung?«, fragte Lahtinen.
Ari schüttelte den Kopf, er bekam kein Wort heraus. Er betastete seinen Hals, weil er noch immer nicht begriff, dass das Blut von der Hand des Angreifers stammte.
»Dürfen wir trotzdem nachsehen?«
»Ja ... natürlich. Absolut«, sagte Ari mit atemlosem Keuchen, wie nach dem Joggen.
Katri machte bereits eine Runde durch die Wohnung.
12
Ich bin’s bloß ... Hallöchen.
Vielleicht sollte ich mich vorstellen, weil wir so ja zum ersten Mal ... Ich bin Paula Vaara. Hallo.
Obwohl ich im Vorbeigehen schon öfter hingeschaut habe. Zufrieden hingeschaut. Es ist wichtig, dass der öffentliche Raum überwacht wird. In solchen Einkaufszentren nistet sich ja wer weiß was für Volk ein.
Heute ist also Paulas ... Paulas Tag. Immer bloß ein und derselbe Tag. Allmählich frage ich mich schon, wann der eigentlich mal aufhört.
Genau. Eben ...
Warum rede ich überhaupt mit dir? Ganz logisch. Meine Kamera liegt im Auto. Das Auto ist abgeschlossen. Der Autoschlüssel wiederum ist ... weg. Nein, er ist in der Handtasche. Und die Handtasche ... Hab ich vergessen. Die ist dort ... geblieben. Wo sie jetzt von gewissen Männern und Frauen inspiziert wird. Diese Arschlöcher. Essen alle Bonbons auf.
Alles im Griff. Alles eine Farce. Vielleicht hätte ich doch ... warum hätte ich nicht Schauspielerin werden können ...
Da kann ich nicht hingehen ... Nicht mehr. Manchmal ist das so ... Ich geh in die Psychiatrie. Ob die mich nehmen würden?
Die nehmen mich nicht ... ich bin zu vernünftig. Die ganze Zeit logisch. Die durchschauen das. Geh heim, sagen die. Aber ich hab doch keinen Schlüssel. Dann klingel an der Tür. Das kann ich nicht ... Das hilft nicht mehr
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