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Bonbontag

Bonbontag

Titel: Bonbontag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Nummi
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seiner Arbeit war es das Gleiche. Er kam nicht vorwärts, er trat auf der Stelle oder nicht einmal das, stand einfach da. Prompt überlegte er, ob das eine Szene sein könne oder wenigstens Stoff für eine Szene. Für die Einleitungsphase der Geschichte. Eigentlich war das doch ... ein Bild für Unentschlossenheit. Heikki müsste Katariina treffen und endlich entscheiden, ob es nun an der Zeit wäre, sich ein Kind anzuschaffen, aber er bleibt im Supermarkt in der Kassenschlange stecken. Man könnte zeigen, wie er absichtlich die langsamste und längste Schlange wählt. Kurz bevor er an die Reihe kommt, wechselt er schnell ans Ende einer anderen Schlange und steht schließlich den ganzen Tag an der Supermarktkasse an. Auf diese Weise wird deutlich, wie er seine Entscheidung aufschiebt, weil er sich eben nicht entscheiden kann. Auch im Supermarkt nicht, er weiß nicht, welches Gemüse er kaufen soll, und so geht es ihm bei allen anderen Dingen auch. Er fürchtet sich vor der kleinsten Entscheidung.
    Ari sah sich um. Haushalts- und Toilettenpapier, Waschmittel, Kekse und Bonbons und irgendwo weiter hinten gekühlte Ware, Zeitschriftenständer gleich neben der Kasse. Auf einem Boulevardblatt die Überschrift: »Männer denken einmal pro Stunde an Sex«. Stimmt das?, fragte er sich. Versuchte darüber hinwegzugehen. Schaute aber doch noch einmal hin: So eine Überschrift könnte Heikki zu einer Entscheidung provozieren. Oder aber ... Da oben hängt ein Reklameschild für Windeln. Das war gut. Das könnte man benutzen. Wieder suchte Ari nach einem Bild, nach ... Im Licht der Neonröhren.
    »Im kalten Licht der Neonröhren«, würde er in seinem Roman schreiben.
    Ihm wurde unangenehm warm, und er öffnete die Jacke. Draußen fror man, drinnen schwitzte man. Wer konnte da an Sex denken!
    Die ganze Geschichte kam ihm willkürlich und nicht durchdacht vor. Warum in der Situation, warum genau an dem Tag? Warum nicht ein Blumenladen oder ein Schuhgeschäft oder ein Spaziergang auf der Straße oder im Park? Warum sollte Heikki ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt in diesen Supermarkt kommen?
    Sein Blick irrte wieder umher, suchte nach einem Fixpunkt, nach einem schönen Gesicht, einem anziehenden Körper, richtete sich dann nach vorne, um zu erkunden, was für ein Mädchen an der Kasse saß.
    Ari erschrak. Die Schlange vor ihm hatte sich aufgelöst. Ein Blick zurück: auch hinter ihm niemand. Die anderen hatten sich anderswo angestellt, in dieser Schlange stand nur noch Ari neben dem Süßigkeitenregal. Und vor ihm der Verursacher der Stauung.
    Eine neuerliche Welle des Ärgers erfasste Ari. Vor ihm stand ein kleiner Junge, acht oder neun Jahre, in Annis Alter. Er grub das Kleingeld aus seinem Portemonnaie und legte es vor den Augen der Kassiererin hin. Ari stellte sich vor, dass der Junge versuchte, mit kindlicher Hartnäckigkeit das Geld passend abzuzählen. Er machte zwei Schritte nach vorn, trat unmittelbar hinter den Jungen, seufzte laut,sah auf die Uhr, räusperte sich und drehte sich nach hinten um, fand jedoch keinen Schicksalsgenossen. Demonstrativ reckte er sich über den Jungen hinweg. Da merkte er, dass der Kleine nun in den Taschen grub, in allen Taschen. Und erst da begriff Ari, was los war.
    Das Geld reichte nicht. Der Junge hatte nicht genügend Geld, um seine Einkäufe zu bezahlen.
    Es war eine seltsam stagnierende Szene. Die erschöpft wirkende Kassiererin wartete einfach ab, es sah aus, als wäre ihr die Situation nicht fremd.
    Der Junge war rot geworden, aber doch nicht so verlegen, wie es ein Erwachsener an seiner Stelle gewesen wäre. Die Bereinigung der Angelegenheit nahm seine gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch, er kam gar nicht dazu, sich zu schämen.
    Er zählte gewissenhaft das Geld auf seiner Handfläche, wobei sich seine Lippen lautlos bewegten. Dann ging er die registrierten Einkäufe durch. Ein Stück nach dem anderen reichte er der Kassiererin zurück, die es ausdruckslos von der Rechnung nahm und beiseitelegte: ein Joghurt, zwei Bananen, Knäckebrot, eine Packung Schnittkäse. Jedes Mal, wenn sie ein Produkt abzog, nannte die Kassiererin mit monotoner Stimme die neue Endsumme.
    Der Junge zögerte, gab eine Packung Batterien aus der Hand, schaute auf den Rest: eine kleine Saftpackung mit Strohhalm, Toastbrot, eine Tüte Erdnüsse, kleine Würstchen und eine Tüte Fuchsbonbons. Der Junge betrachtete die Münzen auf seiner Handfläche. Gab sie der Kassiererin.
    »Es fehlen fünfzig Cent«, sagte

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