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Bonbontag

Bonbontag

Titel: Bonbontag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Nummi
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verlieren, ist eine starke Kraft.
    Solche Menschen werden im Rahmen von Beratung und Betreuung nicht immer rechtzeitig erreicht. In unserem Gesellschaftssystem besitzt das Individuum das Recht, seine eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln. Kein soziales Netz ist lückenlos. Das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen.
     
    Die Erinnerung, die als Schutzschild gegen die anderen Erinnerungen fungierte.
    Für Katri war es dieses Bild: das blendende Licht. Der lange Schatten. Der kleine Junge, der den Schatten warf.
    Der Junge kam mit einem bis zur Unkenntlichkeit abgewetzten Stofftier aus dem leeren Kleiderschrank gekrochen,unter dem Arm ein Bilderbuch. Er setzte sich vor den türlosen Kühlschrank. Schlug das Buch auf, das bei genauer Betrachtung kein Kinderbuch war, sondern ein Comic-Album, das Titelbild zeigte einen Helden, umgeben von Ungeheuern. Der Titel war in großen, aus einem Feuer herausleuchtenden Buchstaben geschrieben.
    Was auf dem Umschlag stand, wusste Katri nicht mehr, aber sie wusste noch, dass der Junge das Buch dem schmutzig grauen Wesen zeigte, das er umklammert hielt. Dass er flüsterte: Keine Angst, das ist nur ein Märchen. Und dann erstarrte.
    Das Licht des Kühlschranks schien auf den Jungen. Sein Schatten reichte fast bis zum Balkon. Regungslos. Damit ihn keiner sah.
    Auf der Rückbank des Autos hielt er ihre Hand umklammert. Es war nicht der erste Junge und nicht das letzte Mädchen, das so ihre Hand hielt und fragte: »Kommt die Mama mich bestimmt holen?«
    Ganz bestimmt, sagte sie da. Ganz bestimmt.
    Ja, einfach nur ja, würde sie später sagen. Die Lüge erschien ihr geringer, weil sie weniger Wörter in Anspruch nahm.
    Alles wird gut, keine Angst, fügte sie gewöhnlich hinzu.
    Jedes Mal plagte es sie, wenn sie das gesagt hatte. Obwohl es sich gehörte, das zu sagen.
     
    Wenn man in einer solchen Situation überlegt, wie man mit dem Kind kommunizieren soll, vor allem wenn es ein sehr kleines Kind ist, sollte man von pragmatischen Überlegungen ausgehen. Man muss versuchen, in einer Situation der totalen Unsicherheit ein gewisses Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Schon allein um zu gewährleisten, dass das Kind nachts schlafen kann.
    Das weitere Procedere geht den sozialen Notdienst in der Regel nichts mehr an, dann tritt das Jugendamt oder der bereits für die betreffende Familie zuständige Sozialarbeiter auf den Plan.
    In diesem Fall wurde ich jedoch von der zuständigen Kollegin gebeten, an einer zwei Tage später im Kinderheim anberaumten Besprechung mit der Mutter teilzunehmen. Man sagte mir, sie habe ihr Kind bislang noch nicht besucht.
    Leider erschien Mattis Mutter auch zu diesem Termin nicht.
    Einen Monat später hatte ich in einer anderen Angelegenheit mit dem Jugendamt und derselben Kollegin zu tun. Ich gebe ungern zu, dass ich Angst davor hatte, zu fragen: Wie geht es dem Jungen, den ich euch gebracht habe?
    Die Antwort der Kollegin fiel jedoch anders aus als befürchtet. Sie war entschlossen vorgegangen, um eine dauerhafte Unterbringung zu verhindern. Der Vater hatte versprochen, sich seiner Aufgabe zu stellen. Auch ein Großelternteil war bereit, als Sorgeverantwortlicher einzuspringen. Währenddessen war die Mutter des Jungen wieder auf die Beine gekommen und hatte angefangen, ihren Sohn regelmäßig zu besuchen. Sie sagte, sie sei der Einladung des Kinderheims zu einem Termin nicht gefolgt, weil sie sich zu sehr geschämt habe. Sie verpflichtete sich nachdrücklich zur Rehabilitation und versprach, verschiedene unterstützende ambulante Einrichtungen aufzusuchen. Begünstigt wurde das Ganze durch den Abbruch der Beziehung zu ihrem Freund, nach dessen Verurteilung zu einer langen Freiheitsstrafe.
    Als man Matti fragte, was er sich wünsche, sagte er schlicht und einfach, er wolle nach Hause.
    Schließlich kam es zur erfolgreichen Rückführung des Kindes zur Mutter.
     
    »Können wir die gleich mal ausprobieren?«
    Ausprobieren? Katri blickte von ihren Zetteln auf.
    Saara schaute sie an, kam mit dem Gesicht so nah wie möglich heran. Sie sah verärgert aus, spöttisch, nicht bereit, die Frage zum dritten Mal zu wiederholen.
    »Saara will die Schlittschuhe ausprobieren«, erklärte Marja gnädig.
    »Morgen ... vielleicht.«
    »Versprochen? Ganz bestimmt?«
    Wir werden sehen, sagte sie. Vielleicht, sagte sie. Vielleicht könnte es am Nachmittag klappen. Dann kommen Opa und Oma und holen euch ab. Von mir aus direkt von der Eisbahn.
    »Ganz wirklich bestimmt!«,

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