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Bonbontag

Bonbontag

Titel: Bonbontag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Nummi
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dem Supermarkt?
    Der Junge von der Supermarktkasse.
    Der Junge aus dem Supermarkt ließ seine weiße Plastiktüte baumeln und sah ihn an. Und wieder weg. Blickte immer wieder kurz zu ihm auf und dann wieder weg.
    »Tschuldigung ... aber ich finde nicht nach Hause.«
    Ari sah den Jungen an, zum ersten Mal sah er ihn wirklich an. Blonde Kinderhaare, die mit zunehmendem Alter sicherlich dunkler würden. Dünn, von Natur aus dünn, vor Aris innerem Auge schien flüchtig ein Bild von sich selbst auf, vor langer Zeit hatte er genauso ausgesehen. Schlackernde Hosen, überall Taschen, am Ärmel des Anoraks stimmte etwas nicht, der Junge hatte ihn so verdreht, dass man ihn nur halb sah, wahrscheinlich kaputt, aus dem Kragen ragte die graue Kapuze eines Sweatshirts heraus. Die Kleider waren irgendwie schmuddelig, aber das waren die Kleider von kleinen Jungs ja oft.
    Seine Wangen leuchteten rot, er war zu dick angezogen, oder war es eher Scham? Er wirkte nervös, sah sich ständig um. Die Kinderschar kam den Fußweg entlang, schaute kurz herüber, ging dann weiter.
    »Du findest nicht nach Hause«, wiederholte Ari verdutzt.
    »Ja ... also ... nicht ganz.«
    »Kannst du dich an den Namen der Straße erinnern, in der du wohnst?«, fragte Ari.
    »Also ich ... nicht richtig.«
    »Aber sie ist ... hier in der Gegend?«
    »Ich ... ich weiß nicht ... ich bin irgendwie in die falsche Richtung gegangen ...«
    »Was machen wir denn da?«, sagte Ari, sehr aufrichtig. Warum fand der Junge nicht nach Hause? War er vor kurzem erst umgezogen? Oder war er zum ersten Mal alleine einkaufen? Oder war er zu Besuch hier, in einer fremden Umgebung? Oder ... Warum sollte sich ein so kleiner Junge nicht verirren können? Ari dachte an Anni, wie sie vor dem Seiteneingang der Musikschule gestanden und geweint hatte, weil Ari sich im Treffpunkt geirrt hatte. Allerdings war sie damals fünf gewesen.
    »Würdest du den Weg vom Einkaufszentrum aus finden?«, fragte Ari, obwohl die Vorstellung, noch einmal dorthin zurückzugehen, nichts als Unwillen in ihm weckte.
    »Nein, ich ...«, stotterte der Junge, den Blick zu Boden gerichtet. »Ich hab mich ... schon vorher verlaufen.«
    »Dann müssen wir wohl deine Mutter oder deinen Vater anrufen«, sagte Ari mit fester Erwachsenenstimme und versuchte, sich von der hervorgezauberten Rolle wenigstens einen Hauch von Selbstgewissheit zu borgen.
    »Hast du ein Handy?«
    »Ja ... nein ... oder es funktioniert nicht.«
    Ari nahm sein eigenes Handy aus der Tasche und löste entschlossen die Tastensperre. Schaute den Jungen an, hatte alles im Griff. Der Junge wich dem Blick aus.
    »Ich kann mich nicht erinnern ... die sind bloß im Handy gespeichert.«
    Jetzt war er vollkommen rot.
    »Okay«, sagte Ari, wobei seine Finger gegen das Handygehäuse tippten. »Dann müssen wir sie herauskriegen. Al-so ...«
    »Kann ich ...« Der Junge hatte mit den Zähnen eine Ecke vom Jackenkragen erwischt und kaute daran, als wollte er Wörter heraussaugen, die er verwenden konnte. »Könnte ich ... ein Glas Wasser haben?«
    »Na klar«, sagte Ari.
    So ein Mist, dachte er.
    Er warf einen Blick auf die Plastiktüte, darin war Saft, fiel ihm ein. Aber er mochte den Jungen auch nicht direkt aus der Packung trinken lassen. Er merkte, wie auch der Junge auf die Tüte schaute, mit irgendwie bangem Gesichtsausdruck.
    »Ja«, sagte Ari. Er überlegte kurz, ob er den Jungen bitten sollte, zu warten und von drinnen etwas zu holen, aber das erschien ihm unhöflich. Als wollte er den kleinen Kerl nicht in die Wohnung lassen. Was er allerdings wirklich nicht wollte.
    Aris Zögern gab dem Jungen die Gelegenheit, das Problem zu vereinfachen.
    »Ich müsste auch mal aufs Klo«, sagte er und wand sich. Verlegen und mit Nachdruck zugleich, so als sei er dazu gezwungen.
    »Na klar. Komm nur rein«, sagte Ari und nickte mit gespielter Zustimmung. Er hätte den Jungen wirklich lieber nicht in die Wohnung gelassen, auch wenn er den Grund dafür nicht nennen konnte. Es war nicht bloß, weil er ungestört arbeiten wollte. Eine merkwürdige Angst? Dazu auch die flüchtige Vorstellung von Schneematsch, der sich von den Schuhsohlen löste und auf dem Teppich schmolz, wenn der Kleine ins Wohnzimmer marschierte. Wieder blickte Ari auf die schmuddeligen Hosen des Jungen und auf die Jacke mit dem Rußflecken. Na ja. Aber eigentlich war das wirklich bloß die Dienstkleidung eines gesunden kleinen Jungen.
    Ari öffnete die Haustür, gab dem Jungen ein Zeichen,aber der

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