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Bonbontag

Bonbontag

Titel: Bonbontag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Nummi
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Zum Glück stand ihr Schreibtisch in einer Ecke des Großraumbüros, sodass ihr niemand über die Schulter schauen konnte. Nur wenn jemand vorbeiging, musste sie das Gähnen unterdrücken. In ihr steckte fast so viel Müdigkeit wie Angst. Sie würde improvisieren, das war ihr bislang noch immer gelungen ...
    »Bist du okay?«
    Paula fuhr zusammen. Kaija lugte hinter der Trennwand hervor. Kaija war einige Jahre älter als Paula und bei der Flächenplanung mit dabei, als Assistentin, eine Stufe tiefer in der Hierarchie. Vor etwa fünf Jahren, als Paula ins Haus gekommen war, hatte sie Kaija nett gefunden, sogar für eine Freundin gehalten. Aber was steckte wirklich hinter dem Lächeln und den netten Worten? Ihr pseudosympathisches Grinsen offerierte sie auch allen anderen. Bulk-Ware. Hatte so ein Mensch überhaupt einen Charakter?
    »Ob ich okay bin?«, wiederholte Paula und machte ein erstauntes Gesicht.
    »Ich dachte nur, weil ... du ehrlich gesagt ziemlich müde aussiehst«, antwortete Kaija. »Ich dachte mir, ob vielleicht irgendwas ... ist?«
    Paula hob die Schultern.
    »Wie ist es mit ... Mira?«
    »Mirja«, korrigierte Paula. »Die grundlegenden Sachen sind geregelt.«
    Paula spürte, wie die Müdigkeit über ihr zusammenschlug. Sie wollte etwas sagen. Wollte mit der Hand eine Geste machen: Manchmal habe ich das Gefühl, nicht mal den kleinen Finger heben zu können.
    Eine Stimme stoppte sie.
    »Wie läuft’s?«
    Es war Laakso. Er hatte sich an Kaija vorbeigedrängt. Sofort zog sich Kaija an ihren Arbeitsplatz zurück, sie wollte nicht von Laakso ins Gespräch verwickelt werden.
    »Fast fertig«, sagte Paula, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Großartig«, sagte Laakso, lächelte fast, wollte wahrscheinlich etwas von seiner Unfreundlichkeit am Morgen zurücknehmen. »Warst du schon ... dort?«
    »Ja, alles im Griff.«
    »Schon fertig?«
    »Ich fahr gleich noch mal kurz vorbei, um mich zu versichern, dass meine Anweisungen befolgt worden sind.«
    Laakso schaute sie irgendwie seltsam an, lehnte sich in merkwürdiger Haltung an den Raumteiler. Versuchte vielleicht aber auch nur, den Bauch einzuziehen und seine Muskeln zu zeigen.
    »Ehrlich gesagt wird der Laden spätestens im Herbst dichtgemacht. Aber wir müssen das trotzdem durchziehen, wegen der zentralen Lage. Die ganze Bande wird gefeuert«, erklärte Laakso wichtig. »Unschön, aber noch unschöner ist es, wenn die ganze Verbundgruppe ins Schwanken gerät ... Erzähl ihnen aber bloß nichts davon!«
    Paula sah Laakso erstaunt an, gewann aber gleich die Fassung zurück.
    »Natürlich nicht ... Das wäre nicht sonderlich motivierend«, sagte sie und lachte. Ein schlechtes, künstliches Lachen, aber die Lautstärke kompensierte, was an Echtheit fehlte. »Wenn ich ganz ehrlich bin, wird es dort heute auf Nachtarbeit hinauslaufen.«
    »Mach bloß nicht zu lange ... Morgen musst du fit sein für das da«, sagte Laakso väterlich und nickte in Richtung Paulas Bildschirm.
    Paula versuchte, möglichst konzentriert auf den leeren Monitor zu schauen.
    »Bis morgen«, rief Laakso, »ich kann es kaum erwarten.«
    »Du nimmst mir die Worte aus dem Mund«, entgegnete Paula und wunderte sich selbst, dass es so fröhlich klang.
    Das ist wahrscheinlich das Lügen, dachte sie, wenn man einem mitten ins Gesicht lügt, regt das irgendwie den Kreislauf an und macht munter.
8
    Der Junge aß unfassbar viel. Ari musste mehr Spaghetti kochen.
    »Das ist richtig gut«, sagte der Junge.
    »Schön, dass es dir schmeckt«, sagte Ari geschmeichelt und trank einen Schluck Rotwein. Er merkte, dass der Junge auf das Glas schielte.
    »Wirst du leicht beschwipst?«, fragte der Junge. Gespielt unschuldig, glaubte Ari. Was für ein Moralwächter war das denn?
    »Nein, weil ich bloß ein Glas trinke«, sagte er, unnötig aggressiv. Es war eine Replik aus einem dummen Streit mit Leena. Vielleicht hatte der Junge schlechte Erfahrungen mit trinkenden Erwachsenen gemacht. Ein betrunkener Vater, der die Fäuste schwang ... Ari wollte es sofort wieder gutmachen. »Nimm noch was von der Soße.«
    »Ja«, sagte der Junge eifrig. Er beugte sich weit nach vorn, um etwas aus dem Topf zu schöpfen, die Kelle war ganz voll, er führte sie zum Teller, ächzte, stützte die Hand schnell mit der anderen Hand ab, und in dem Moment klatschte die Portion aus zu großer Höhe auf den Teller, ein Teil landete auf dem Tisch. Rote Spritzer übersäten den Kapuzenpulli.
    »Tschuldigung ...«, sagte der Junge und

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