Bonbontag
neulich ... der in der Zeitung stand.«
»Das war nur eine Kolumne.«
»Ein Essay war das«, korrigierte ihn die Mutter. »Richtig tief gedacht. Ich habe mit vielen darüber geredet, und ...«
»Wir waren gerade mitten in einer Diskussion«, unterbrach Ari seine Mutter, als sie Luft holte. Hätte ihn jemand anders gelobt, hätte er das nicht getan. Jetzt sagte er, er habe nicht viel Zeit, er müsse für morgen noch an seinem Manuskript feilen.
Seine Mutter seufzte, und Ari bekam ein schlechtes Gewissen.
»Wie ist dein Tag gewesen?«, erkundigte er sich, ein wenig lustlos, er wollte eigentlich keine unschönen Geschichten hören. Und er wusste, dass andere derzeit nicht im Angebot waren.
»Wie das halt so ist, wenn das ganze Haus eingerüstet ist, mit Plane davor. Man sitzt im Dunkeln. Bis Weihnachten hätte es fertig sein sollen, aber die haben wahrscheinlich nächste Weihnachten gemeint. Immer ist gerade das falsche Wetter. Und man kann angeblich nicht streichen. Und wenn mal gutes Wetter ist, kommt keiner. Dann ist das Wetter wahrscheinlich zu gut.«
Ari fragte sich erneut, ob er von dem Jungen erzählen sollte. Aber seine Mutter hatte auch so schon genug Sorgen. Die sich ihr einziges Kind nicht anhörte, weil es keine Zeit hatte. Ari schüttelte sich.
Noch einmal versprach er mit Nachdruck, am nächsten Tag vorbeizukommen.
Nachdem er das Gespräch beendet hatte, warf er rasch einen Blick ins Wohnzimmer. Der Junge saß wie erstarrt vor dem Fernseher, geradezu unnatürlich. Das störte Ari, es störte ihn, obwohl auch in dieser Stadt Hunderte oder Tausende andere Kinder mit Sicherheit ebenso regungslos auf die bewegten Bilder starrten. Rasch zog sich Ari zurück.
Aber der Junge hatte ihn bemerkt.
»Das ist ... ziemlich brutal«, rief er, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden.
»Ach ja? Einmal müsste ich noch telefonieren ...«, sagte Ari mit einer Handbewegung Richtung Arbeitszimmer, aber der Blick des Jungen haftete auf dem Bildschirm. Man hörte etwas, vielleicht das Brüllen eines Löwen.
Ari rief jetzt Leena an. Bei der Vorstellung, gleich mit ihr zu reden, kam Erleichterung in ihm auf. Es läutete und läutete. Leena hatte das Telefon natürlich irgendwo liegen lassen.
Ari überlegte kurz und wählte dann Joels Nummer. Joel konnte er alles erzählen. Das gab ihm wenigstens die Gelegenheit, laut nachdenken.
Der Anruf ging direkt an die Mailbox. Ari stammelte eine Nachricht. »Also, wir sehn uns ja morgen ... Ich wollte mir den Schluss noch mal ansehen, aber es ist was dazwischengekommen ... kleine Störung. Ein Zusammenstoß sozusagen ... nichts Ernstes ... ich versuch, in der Nacht noch was zu machen, vielleicht ... Aber wir sehn uns wie vereinbart ...«
Dann kam der Piepston.
Ari schaute wieder ins Wohnzimmer. Eine kleine Statue vor einem flimmernden Kasten.
Er ging näher heran. Zwei Löwen schlugen ihre Zähne in ein Zebrafohlen. Instinktiv wandte er den Blick ab.
Der Junge bemerkte ihn. Sah ihm am Gesicht an, dass dies etwas war, was er nicht sehen sollte.
»Bisschen zu brutal«, sagte der Junge deshalb und drückte auf Pause. Seine Begeisterung konnte er jedoch nicht ganz verbergen.
»Hast du Hunger?«, fragte Ari.
»Nein«, sagte der Junge. Fügte aber schnell hinzu: »Oder vielleicht ein kleines bisschen.«
7
Es wurde vereinbart, den Laden um sechs zu schließen. Man würde versuchen, das gesamte Personal herbeizuholen.
Aus alter Gewohnheit filmte Paula noch die alten Lauflinien. In anderen Märkten hatte sie schon Wochen zuvor Videonotizen zur Unterstützung der gezeichneten Pläne gemacht. Man erfasste ganz anders, was ein Kunde sieht. Oder übersieht. Sie sah sich die Bänder am Schreibtisch an, manchmal auch zu Hause, überlegte genau, ob die Fruchtsaftkonzentrate in diesem oder jenem Regal stehen sollten.
Aber gut, heute war ihr mit Genauigkeit nicht geholfen. Es reichte, wenn man die Latte streifte, und sei es von unten. Vielleicht konnte sie das Material dann in irgendeiner Schulung als Beispiel verwenden.
Paula richtete die Kamera auf sich selbst, nannte Ort, Datum, Uhrzeit, Projekt.
»Werden wir gefilmt?«, platzte die Dicke aus Savo dazwischen, als hätte sie den besten Witz der Welt von sich gegeben. »Fürs Fernsehen?«
Saari stand hinter ihr, zusammen hatten sie Paula nachspioniert.
»Schon praktisch, die Technik heutzutage«, sagte Saari versöhnlich.
Paula war nicht wirklich in Small-Talk-Laune, erklärte aber immerhin, dass die Kamera ein hervorragendes
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