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Bonbontag

Bonbontag

Titel: Bonbontag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Nummi
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versuchte die Soße vom Tisch zu kratzen, aber das machte es nur schlimmer.
    Ari schluckte den Fluch, der ihm auf der Zunge lag, hinunter.
    »Macht nichts«, sagte er mehrmals und holte Küchenpapier und Lappen. Er wischte den Tisch ab, das Ärgste in die hohle Hand, etwas fiel auf den Boden.
    »Ich bin derjenige, der hier die Sauerei macht«, meinte Ari.
    Er warf das Küchenpapier und den Soßenmatsch in den Mülleimer, ließ den Lappen ins Waschbecken fallen und wusch sich die Hände. Dann fiel sein Blick auf den Kapuzenpulli.
    »Jetzt machen wir den auch noch sauber ...«, sagte er und griff entschlossen danach. »Sonst geht es beim Waschen später nicht raus.«
    Er fasste das Rückenteil an, der Junge wurstelte sich aus den Ärmeln, eine Hand war bereits frei, da hielt er das Kleidungsstück plötzlich fest.
    »Nein, ich will nicht ...«
    »Komm, ich mach das schnell«, sagte Ari, ohne loszulassen.
    Da sah er den Arm des Jungen. Sah etwas Merkwürdiges.
    »Was ist das?«
    Er zog mit einem Ruck, der Junge verlor den Pulli aus dem Griff und saß mit nackten Armen da.
    »Oh Mann«, entfuhr es Ari, und er wurde blass.
    Der Junge legte die Arme übereinander und kauerte sich zusammen. Die blauen Flecken, die sich von den Schultern bis zu den Handgelenken erstreckten, konnte er dennoch nicht verbergen.
    »Was ist da passiert?«
    »Ich bin hingefallen, sozusagen.«
    »Hat dich jemand geschlagen?«
    »Das tut eigentlich schon nicht mehr weh ... ich lass immer kaltes Wasser drüberlaufen ...«
    »Wer hat dich geschlagen?«
    »Also, das ist jetzt nicht so ... ich mein, dass da irgendwie einer ...«
    Vorsichtig ergriff Ari einen Kinderarm. Der Junge zitterte, zog den Arm zunächst zurück, ließ Ari aber dann doch hinschauen.
    Er ist es nicht gewohnt, dass man ihn anfasst, dachte Ari.
    Er drehte den Arm und sah ihn sich genau an, und der Junge wehrte sich nicht. Es waren Hämatome, frisch, unschön, aber sie würden innerhalb einiger Tage verheilen.
    »Hast du dir auch anderswo wehgetan? Gibt es sonst noch Schrammen ... Wunden?« Ari ratterte die Fragen schneller herunter, als der Junge antworten konnte.
    Er schüttelte nur den Kopf. Ari bemerkte etwas im Nacken des Jungen, beugte sich darüber, um nachzuschauen. Ein älteres Überbleibsel, abgeschürfte Haut, ein farbiger Streifen, als hätte jemand zugedrückt. Gewürgt?
    Der Junge neigte den Kopf, als wolle er den Abdruck verbergen.
    »Bei mir ist eigentlich alles in Ordnung«, sagte er dann mit hängendem Kopf und strich sachte über seine blauen Flecken.
    Ari setzte sich an den Tisch, senkte den Kopf auf Höhe des Jungen. Er fasste ihn an der Schulter und sah ihm in die Augen:
    »Hat dir jemand was getan?«
    Der Junge wich dem Blick aus, wand sich auf seinem Stuhl.
    »Nein ... Aber ich bräuchte trotzdem sozusagen ein bisschen deine Hilfe«, sagte er, ohne den Blick zu erwidern. »Morgen ...«
    »Was für eine Hilfe?«, fragte Ari, und in seine Stimme schlich sich Unsicherheit, Angst.
    »Weil, also ... könnte ich vielleicht über Nacht bleiben? Weil die ist krank, zu der ich sonst gehen könnte. Nur für eine Nacht.«
    Ari antwortete nicht. Er begriff nichts mehr. Er schaute den Jungen an, sah dessen verstohlene Blicke. Dann entfernte er mit Geschirrspülmittel den ärgsten Schmutz vom Kapuzenpulli und hängte ihn zum Trocknen über die Stuhllehne.
    Er bat den Jungen, in Ruhe aufzuessen, während er ein paar Telefonate erledigte, zog die Tafel Schokolade hervor, die hinter der Knäckebrotpackung versteckt war, und brach eine Rippe als Nachtisch ab.
     
    Ari rief erneut Leena an. Jetzt meldete sie sich, sie war irgendwo im Freien, man hörte Stimmen im Hintergrund. Anni und die Stimme eines anderen Kindes, einer Kusine wahrscheinlich.
    »Na, wie läuft’s?«, fragte Leena leicht abwesend. »He, Mädels, nicht dahin!«
    »Mir ist was Komisches passiert«, konnte Ari gerade sagen.
    Es raschelte im Telefon.
    »Entschuldige, ich hab dich nicht gehört ... Warte kurz ...«
    Es folgte ein Stöhnen.
    »Was treibst du denn da?«, fragte Ari neckisch.
    Leena lachte.
    »Ich hab nur den alten Anorak an, der ist ein bisschen eng ... und als ich versucht hab ...«, sie musste lachen und flüsterte dann: »Ist der BH aufgegangen ...«
    Ari ließ sich von dem Lachen anstecken, er sah Leena vor sich, stellte sie sich auf der Veranda des Sommerhauses vor, die Hand unter ihrem Pulli. Er spürte Erregung, Freude, gute Laune, kein Grund für Schuldgefühle, es war in jeder Hinsicht

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