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Bonbontag

Bonbontag

Titel: Bonbontag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Nummi
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geantwortet. Es war keine reine Lüge gewesen. Sie hatten die Skiferien in der Nähe von Vaasa, im leer stehenden Haus von Leenas Tante verbracht, dort, wo Leena und Anni auch jetzt waren. Die Kusinen leisteten ihnen ein paar Tage lang Gesellschaft, bevor sie nach Lappland weiterfuhren.
    Damals waren sie auf beleuchteten Loipen Ski gelaufen und im Schwimmbad gewesen. Ein gelungener Urlaub, alles in allem.
    »Anni war noch nie im Süden«, hatte er Leena gegenüber festgestellt.
    »Uns gefällt es an diesen Orten doch nicht«, sagte Leena.
    »Irgendwann könnte man schon mal hinfahren.«
    »Könnte man, wenn man das Geld dafür hätte.«
    »So teuer ist das auch wieder nicht ... schließlich fahren alle hin.«
    Leena kommentierte es nicht weiter. Ari wusste sehr wohl, dass die neuen Winterreifen, die doppelte Umlage, die von der Hausgemeinschaft wegen eines Rohrbruchs erhoben worden war, Annis Musikschule und Leenas Tanzstunden dem Familienetat jedes Polster entzogen.
    Was also müsste man tun? Man müsste mit Anni so viel wie möglich zusammen sein, solange ihr die Gesellschaft des Vaters noch recht war. Aber er durfte doch jeden Tag mit ihr zusammen sein, mal abgesehen von dieser einen Woche. Alles war gut bei ihnen. Die Hälfte der Wohnung gehört ihnen, ohne Schulden, die andere Hälfte Leenas Eltern. Sie zahlten nur die Umlage. Geringes Einkommen, geringe Ausgaben. Sie konnten es sich leisten, mit dem Essen mäkelig zu sein, nur frische, einheimische, sogar Bio-Produkte zu kaufen.
    Aber er musste sich zusammenreißen. Er musste mit seiner Arbeit vorankommen. Mehr zustande bringen. Morgen hatte er einen wichtigen Termin, und er würde nicht mehr als zwei Stunden schlafen können.
    Alle Zutaten für eine Katastrophe sind vorhanden, dachte er erstaunlich gut gelaunt. Langsam kam der Schlaf wieder ... Aber durch irgendeinen Schlitz stach das Flurlicht ins Auge.
    Sicher konnte man es jetzt ausschalten. Der Junge schlief bestimmt schon.
    Ari stand auf, schlich in den Flur und löschte das Licht.
    Er warf einen Blick ins Schlafzimmer.
    Ein Lichtschein. Unter der Bettdecke blinkte ein Licht auf.
    Er begriff, dass der Junge nicht schlief. Er hörte ihn etwas sagen, dann summen. Der Lichtkegel der Taschenlampe leuchtete unter der Decke hervor, wischte übers Fenster.
    Das durfte nicht wahr sein.
    Es war traurig, dass der Junge nicht schlief, dachte Ari. Aber es war nicht seine Schuld. Er selbst musste sich jetzt ausruhen, denn er hatte einen schweren Tag vor sich, ein Gespräch über sein Manuskript, da musste er sich voll konzentrieren.
    Leise schlich er aus dem Zimmer und setzte sich auf den Rand von Annis Bett.
    Verdammter Mist.
    Er kehrte zur Schlafzimmertür zurück.
    »Kannst du nicht schlafen?«
    Die Taschenlampe ging aus.
    »Doch, bestimmt bald«, sagte Tomi, ohne sich umzudrehen. »Ich ... ich wollte nur testen, ob die Lampe funktioniert.«
    Miserable Erklärung. Aber das war er mittlerweile gewohnt. Anni fiel immer etwas ein, das sie unbedingt noch tun musste, wenn sie schlafen gehen sollte. Das Einschlafen fiel ihr schwer, und Ari hatte die Angewohnheit, ihr den Rücken und die Beine zu reiben. Und den Kopf und die Arme. Dann entspannte sie sich und schlief ein.
    »Papa, kannst du mich noch ein kleines bisschen massieren ...«, sagte Anni jedes Mal, wenn er aufhören wollte.
    Er fragte sich manchmal, wie viele Jahre ihm Anni noch gestatten würde, ihr den Rücken zu reiben. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, nein zu sagen. Für seine Tochter würde er alles tun. Den Rücken massieren war eine Kleinigkeit.Und eine große Sache. Er war auf diesem Planeten nicht überflüssig. Eine notwendige Aufgabe hatte er, und die konnte niemand sonst erfüllen.
    Anni war seine Tochter. Damit war eine Grenze bezeichnet. Väter sollten die Rücken ihrer eigenen, nicht die fremder Kinder massieren.
    »Ich hab wahrscheinlich ein bisschen kranke Beine, weil ich so lang in dem Schrank war.«
    Nein, da gab es eine Grenze.
    »Soll ich dir ein wenig die Beine massieren?«, hörte Ari sich fragen.
    »Was? Wie?«, fragte Tomi.
    »Wenn sie krank sind«, sagte Ari.
    »Kannst du von mir aus«, sagte Tomi.
    Es klang ziemlich gleichgültig. Tomi begriff eindeutig nicht, um was für eine einschneidende Angelegenheit es sich handelte. Ari biss sich auf die Lippe, versuchte seinen Ärger zu verbergen.
    Der Junge spürte das, drehte sich zu ihm um. Sah ihm direkt in die Augen.
    »Wäre vielleicht ganz schön, wenn du sie ein bisschen massierst«,

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