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Bonbontag

Bonbontag

Titel: Bonbontag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Nummi
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man, dass es Scheiße ist. Keine Struktur, keine Ordnung.«
    Saari schluckte, suchte nach Worten. »Sie sehen die Welt nicht ... besonders positiv.«
    »Nein, ich sehe sie realistisch.« Sie machte eine winzige Pause, bevor sie hinzufügte: »Mirja ist schön. Mirja wird mal eine schöne Frau.«
    »Ist das ...«
    »Das ist meine Tochter«, sagte Paula. Sie biss sich auf dieLippe, konnte das Gesagte aber nicht mehr ungesagt machen.
    Saari nickte, versuchte freundlich zu lächeln, aber es wurde ein angestrengtes Lächeln.
    »Ein reizendes Mädchen«, brachte er schließlich heraus.
    »Schönheit als Schönheit zu erkennen setzt ein gewisses Maß an Abstand voraus ...«, fuhr Paula entschieden fort und stieß das Gefühl der Verlegenheit von sich. »Das Gleiche gilt für die Erziehung. Man muss Distanz halten.«
    »Ich habe ja keine Kinder, deswegen ... weiß ich davon nichts ...«
    »Ich weiß es aber zufällig«, fiel ihm Paula ins Wort.
    »Die Rolle der Eltern ist heutzutage sicher nicht ...«
    »Die Rolle des Elternteils«, korrigierte Paula. »Ich erziehe meine Tochter alleine.«
    »Das ist bestimmt ...«
    »Ich bin geschieden«, fuhr Paula fort.
    Warum musste ich das jetzt sagen, wunderte sie sich.
    »Ja ... aha ... Tut mir leid ...«
    »Das muss Ihnen nicht leid tun. Mir tut’s auch nicht leid.«
    »Natürlich ... Ich dachte nur, das Kind ...«, sprach Saari leise weiter und schien dabei die Diplomatie seiner Worte abzuwägen.
    Paula begegnete seinem Blick. Stellte sich darin eine Frage vor. Was sie hier tat, wo ihre Tochter doch zu Hause wartete.
    »Ab und zu muss man improvisieren ... Zum Beispiel mit dem Kindermädchen. Wir haben ausgemacht, dass es über Nacht bleibt.«
    Was rechtfertige ich mich hier überhaupt, schalt sich Paula. Mit miserablen Lügen. Ich muss mich vor niemandem rechtfertigen. Schon gar nicht vor diesem Kerl. Der aussieht, als hätte er noch was auf dem Herzen. Etwas Großes und Schweres. Es will ihm bloß nicht über die Lippen kommen. Bis es dann plötzlich doch kam, deutlich, Wort für Wort.
    »Oft heißt es natürlich ja ... oder ist das nur eine Phrase, dass ein Kind vor allem Nähe braucht.«
    Das klang nach einem Vorwurf. Paula gelang es schließlich, den Ärger über Saaris Worte in schallendes Lachen zu verwandeln: »Das sagen bestimmt auch die Pädophilen.«
    Eben noch war das Schweigen intensiv und warm gewesen, jetzt war unberechenbare Wortlosigkeit zwischen ihnen.
    »Ja«, sagte Saari schließlich. »Es gibt auch Hässliches auf der Welt ... hässliche Taten.«
    »Das ist mir bewusst, danke für die Information«, sagte Paula gut gelaunt. »Auch um die ganze Scheiße zu erkennen, braucht man Abstand.«
    Sie hatte das Gefühl, als schaute Saari sie enttäuscht an, entmutigt, als wäre er kurz davor, in Tränen auszubrechen. Das tat ihr auf einmal leid, gerade war es noch ... so angenehm gewesen. Sie wollte etwas Versöhnliches sagen, kam aber nicht dazu.
    »Wie sind Sie ...«, fing Saari an. »Wie sind Sie denn dazu gekommen ... zu so einem ...«
    »Ja?«
    »Zu so einem negativen Weltbild?«
    »Ich habe die Augen offen gehalten und mir die Welt angeschaut«, antwortete Paula, ohne zu überlegen, aufrichtig, ohne zu nivellieren. »Mehr braucht man dazu ja wohl nicht.«
    »Vielleicht nicht.«
    »Glauben Sie, dass ich unter irgendwelchen Kindheitstraumata leide?«
    »Ich weiß nicht, was ich meine.« Saari klang niedergeschlagen.
    »Es ist manchmal stressig gewesen, alle möglichen Tanten und Onkel sind mir über den Weg gelaufen, Profis im Helfen und Schikanieren, die Helfer sind die schlimmsten«, erklärte Paula mit einem Lächeln auf den Lippen. »Ich bin der positivste Mensch, für mich ist alles nur ein großer Prozess im Laufe des Erwachsenwerdens.«
    Sie schaute Saari an, der wie ein geprügelter Hund aussah.
    »Entschuldigung ... Entschuldigung, ehrlich. Was gehe ich Ihnen auf die Nerven. Sie sind doch ganz ... Sie sind ein netter Mann.«
    »Leiden macht schön, ja?«, sagte Saari mit Zorn in der Stimme.
    »Leiden macht nicht schön, sondern hässlich. Aber es ist gut, wenn man auch hässlich sein darf. Das hat mich nicht zum besseren Menschen gemacht, aber zum tüchtigeren. Durchschlagsfähig. Aber ich quatsche nur dummes Zeug, machen Sie sich nichts daraus.«
    »Ich gebe mir große Mühe, mir nichts daraus zu machen«, sagte Saari, zuerst ganz ernsthaft, dann kam ein Lächeln auf seine Lippen. Paula lachte kurz auf, ein Prusten, hinter dem allerdings ein Lachen

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