Bonbontag
verlaufen, auch ein Hausbesuch konnte vereinbart werden. Allerdings erst eine Woche später.
»Die Dame war ebenfalls viel beschäftigt. Irgendeine Raumoptimierungsplanerin. Und die Wohnung war dann auch entsprechend ... mein lieber Schwan, picobello und noch mehr.«
Seija betonte, dass alle Klienten, sofern sie keine Mischkonsumenten einer breiten Drogenpalette waren, Staub wischten und die Teppiche gerade zogen, bevor das Jugendamt kommt, aber dort hatte man das Gefühl gehabt, als wäre das gar nicht nötig gewesen. Mutter und Tochter schienen die Ordnung im Blut zu haben. Es war schwer vorstellbar gewesen, wo der brüllende Vater da reingepasst hätte.
»Töpfe und Bücher in Reih und Glied, sogar die Spielsachen ungefähr alphabetisch geordnet.«
»Und das Mädchen?«
Seija sagte, das Mädchen sei so gewesen, wie es im Bericht stehe. Still, ein bisschen schüchtern. Kein Wunder, wenn eine fremde Tante in der Wohnung herumschnüffelt.
»Das Kinderzimmer war hübsch ... oder eher geschmackvoll. Dezente Rottöne«, erinnerte sich Seija. »Vielleicht ein bisschen ...«
»Ja?«
»Ein bisschen dunkel war es«, sagte Seija. »Hübsche Sachen, aber im Halbdunkel. Angeblich war die Jalousie kaputt. Oder die Mutter will die Kleine frühzeitig zum Gruftie ausbleichen.«
Katri wollte nachhaken, doch Seija sprach weiter.
»Hat von dem Hämatom geredet wie die Mutter ...«
»Mit den gleichen Worten?«, fragte Katri dazwischen.
Stille, zum ersten Mal eine Pause von der Länge eines Wimpernschlags, bevor die Antwort kam.
»Eigentlich mit genau den gleichen Worten.«
Seija sagte, sie habe das im Bericht nicht hervorgehoben, weil das Gesamtbild glaubwürdig gewesen sei.
»Wie lautet das Fazit?«
»Der übliche Scheidungsstress, wenn man keine Lust mehr hat, auf kultiviert zu machen. Man schwärzt sich gegenseitig an. Aber trotzdem ...«
»Ja?«
»Ich bekam Kopfschmerzen, als mir dieser Herr Holm ins Ohr brüllte. Hoffentlich schreit er seine Tochter nicht genauso an. Ich hab noch immer ein Brummen im Gehörgang. Darum würde ich irgendwie ... eher der Mutter glauben. Aber genau das wirft man uns ja immer vor.«
»Manchmal aus gutem Grund.«
»Was soll ich machen, wenn ich als Frau geboren worden bin?« Seija sagte das gut gelaunt. »Und die Statistiken über häusliche Gewalt dürften ebenfalls gegen den Herrn sprechen.«
Was noch, was müsste man noch fragen, überlegte Katri. Solange noch Rückenwind herrschte.
»Gab es noch etwas, etwas Erwähnenswertes oder ...«
»Ob da noch was war, was ich nicht aufgeschrieben habe?«
»Ja«, antwortete Katri ohne Umschweife.
Wieder kurze Stille. War Seija sauer?
»Eigentlich nicht ... nur alltägliche Sachen.«
»Nämlich?«
»Ein kleiner Zank zwischen den Erwachsenen und ihrem Kind.«
»Worüber?«
»Über Süßigkeiten.«
Seija erzählte, Paula Vaaras Handtasche sei auf den Fußboden gefallen, als sie nach dem Termin im Büro die Kamera habe einpacken wollen. Die Tasche sei voller Schokoriegel gewesen. Paula habe gesagt, sie sei in der Lebensmittelbranche tätig und bekäme immer Proben. Angeblich bis zum Abwinken. Es sei ein großes Problem, sie vor dem Mädchen zu verstecken. Damit sie nicht alle auf einmal nehme.
»Wir sind übereingekommen, dass es sinnvoll ist, wenn ein Kind einen Bonbontag hat.«
»Klingt ganz normal.«
»Schon ... Als ich bei ihnen war, gab es Kaffee, und das Mädchen hat die Pralinenschachtel tatsächlich nicht angerührt. Nicht mal hingeguckt. War anscheinend kein Bonbontag. Der Mutter schmeckten sie allerdings. Bisschen komisch ... Fast ...«
»Ja?«
»Fast sah es so aus, als würde das Mädchen auf seine Mutter aufpassen.« Man hörte das Rascheln von Papier, das aufeinandergeschichtet wurde. »Sonst noch was?«, fragte Seija.
»Eigentlich ...«, fing Katri an, die noch nicht aufhören wollte. »Ich frage mich, was wir unternehmen sollen.«
»Na ja ... Vielleicht warten wir erst mal die Vorladung zur Sorgerechtsverhandlung ab.«
Katri antwortete nicht sofort. Sie schluckte, um ihrer Stimme jeden Anflug von Strenge zu nehmen.
»Sollte man trotzdem noch mal hingehen und nachsehen?«
Keine Antwort.
»Hallo ... bist du noch dran?«
»Ja ... ich überlege bloß. Einen richtigen Grund gibt es eigentlich nicht. Mama und Papa lassen die Muskeln spielen. Ist nicht schön für das Kind, aber so ist das Leben nun manchmal.«
»Ich find das schon ziemlich diffus«, gab Katri zu.
»Letztlich weiß ich einen Scheißdreck. Im
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