Bonbontag
amüsiert zurück. Das waren ihre eigenenWorte. Der älteste Junge schielte noch immer auf das Buch, lehnte es dann hinter sich an den Mikrowellenherd.
Katri war schon am Gehen, da schaute sie noch einmal hin.
Ein Ungeheuer, umgeben von roten Flammen. Auf dem Umschlag des Comicbuchs. Ein bisschen wie ...
Die rote ... Die rote Kobrahexe?
»Entschuldigung ... ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber ... könnte ich vielleicht ...«, sagte Katri und langte nach dem Buch hinter dem Jungen.
Überraschte Blicke am Esstisch.
»Dürfte ich ganz kurz einen Blick auf das Buch werfen?«
Verdatterte Mienen. Der Junge gab ihr das Buch.
»Es ist aus der Bibliothek ... wahrscheinlich ist die Leihfrist mal wieder überzogen«, meinte die Mutter. »Habe ich es dir nicht tausend Mal gesagt ...«
Katri hörte weder den Tadel der Mutter noch die Rechtfertigung des Jungen. Sie erinnerte sich. Sie erinnerte sich an ein anderes Buch. An brennende Buchstaben. An eine rotgekleidete Schlangenfrau auf dem Umschlag.
Die der Junge im Licht des Kühlschranks anschaute.
Das kann nicht ...
Sie hatte heute in diese Augen geschaut.
Der Junge auf der Eisbahn.
Der Junge war Tomi.
Tomi aus dem Kleiderschrank.
Der Junge in der Wohnung des Schriftstellers.
Der Junge auf dem Rücksitz. Der auf seine Mutter wartete. Der zu dem Schriftsteller gesagt hatte, er finde nicht nach Hause. Der gelernt hatte, sich unsichtbar zu machen.
Der Junge, den sie gesehen hatte.
Tomi.
Katri kam wieder zu sich, während am Tisch überlegtwurde, ob die Bibliothek freitags um diese Zeit noch geöffnet hatte. Katri bewegte sich in Richtung Tür.
»Verzeihung ... Und vielen Dank ... Das Buch hat mit ... einem bestimmten Fall zu tun.«
Sie war bereits durch die Tür, kehrte aber noch einmal um und schreckte die Familie ein letztes Mal auf.
»Schönes Wochenende!«
Sie verließen das Haus in umgekehrter Marschordnung, die Polizisten zuerst, die Sozialarbeiter hinterher. Alle sogen die frische Luft ein. Immer dichter fiel der Schnee zwischen den Wohnblocks.
»Was war das eben?«, wunderte sich Petri.
»Der Junge von gestern«, antwortete Katri.
»Hä?«
»Ich erkläre es dir gleich.«
Die Dienstfahrzeuge von Polizei und ASD standen hintereinander am Rand der Zufahrt, die Polizisten waren schon im Begriff einzusteigen.
»Auch euch ein schönes Wochenende!«, rief Katri.
»Ebenfalls«, gab die Polizistin zurück. »Passiert so was eigentlich öfter?«
»Nein, Gott sei Dank«, antwortete Katri. »Oder wie man’s nimmt.«
»Prima Jungs«, stellte der Polizist fest.
»Bei denen steht die Polizei noch hoch im Kurs.«
»Ist mal was anderes.«
»Schönen Abend noch.«
»Vielleicht sieht man sich ja noch mal.«
»Da muss ich leider sagen, hoffentlich nicht. Nicht unter diesen Umständen.«
»Wem sagst du das.«
»Macht’s gut.«
Keijo, der Pförtner, der sie gefahren hatte, schaute sie fragend an, als sie in den Wagen stiegen.
»Fehlarlarm«, sagte Petri auf dem Rücksitz.
»Nicht ganz«, meinte Katri auf dem Beifahrersitz. »Gib Gas.«
»Wohin?«
»Nach Hause ... ich meine in die Dienststelle.«
7
Ari pickte die Gurkenscheiben von seinem Hamburger und wischte mit der Serviette den meisten Ketchup vom Brötchen. Tomi beobachtete ihn dabei genau. Er biss in seinen Burger, hielt den Blick aber auf Aris umständliche Maßnahmen gerichtet.
»Ich mag keine Gewürzgurken«, sagte Ari, weil er glaubte, eine Erklärung schuldig zu sein.
»Ich auch nicht«, sagte Tomi und biss wieder zu.
Jetzt hielt Ari inne.
»Und warum isst du sie dann?«
Tomi schluckte. Dachte nach.
»Na, weil ... der Mutant sagt ...«, fing er an, dachte dann aber wieder nach. »Man muss alles aufessen ... Andere haben Hunger ...«
»Stimmt schon ... aber was hilft es, wenn ...«, fing Ari an. Er redete nicht weiter, denn auf einmal schämte er sich.
Tomi aß seinen Hamburger mitsamt Gewürzgurkenscheiben. Ari blickte auf die Schweinerei auf seinem Tablett.
Eine Filmszene?
Ein Mann und ein Junge, zufällig zusammen. Bald wäre der Junge wieder weg.
Oder wie wäre es damit ... Heikki, Katariina und ein Junge. Ein Junge von der Straße.
Die letzte gemeinsame Mahlzeit? Das letzte Abendmahl.
Vor dem großen Verrat. Ari erinnerte sich an den Anruf der Sozialarbeiterin. Schob ihn kurz beiseite.
Die letzte Gelegenheit zu reden. Etwas zu fragen.
Der Junge im Film, acht oder neun Jahre alt. Wie dachte so ein Wesen? Jetzt hatte er einen Experten vor sich.
»Darf ich dich
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