Bondage (German Edition)
stolpere leicht, weil ich den Radius der Kette, die ja an dem blöden Pfosten befestigt ist, unterschätzt habe, und wäre beinahe hingefallen, wenn ich mich nicht an diesem Tisch hätte abstützen können. Dabei fällt mir auf, dass neben der Kanne mit dem Wasser auch noch zwei trockene, ungenutzte Fackeln liegen – und ein Sturmfeuerzeug. Ich könnte diesen Raum also schnell wieder in ein helles Gefängnis verwandeln, wenn meine Kette bis zu den Halterungen der Fackeln an der gegenüberliegenden Wand reichen würde, was sie nicht tut.
„Dreckskette“, zische ich und kicke mit dem Fuß vor Wut nach vorne, als es hinter mir „klack“ macht und es mich von den Füßen reißt. Ich schlage hart auf dem Boden auf, für einen Moment wird mir schwarz vor Augen. Das Letzte, das ich im Fallen noch wahrnehme, ist das Rasseln, mit dem die Kette zu Boden fällt.
Für eine Weile höre ich nichts, dann kommt ein Pochen in meinem Schädel hinzu, das sich meinem Blutdruck anpasst und schließlich ganz verschwindet. Ich wimmere leise, eher ungewollt, denn ich, der starke Brix, der vor nichts und niemandem in seinem Leben Angst hatte oder zumindest zeigte, habe soeben gelernt, dass auch ich nicht unfehlbar bin, und schon gar nicht ohne Angst. Ich habe eine Scheißangst vor dem, was hier passieren soll. Und ich will hier raus, aber was mache ich statt dessen? Ich hänge mit meinem Bein nutzlos an einer Kette, die über einen Ring an einem morschen Holzpfosten befestigt ist. Vielleicht sollte ich einfach das Sturmfeuerzeug vom Tisch nehmen und den Pfosten abfackeln ... oder gleich die ganze Pyramide?
Das ist natürlich Quatsch, denn Pyramiden sind aus Stein, und Stein brennt nicht ... aber wenn er es täte, könnte ich Rauchzeichen geben oder so. Ich sags ja, ich werd immer sarkastisch, wenn ich Angst habe. Fehlt eigentlich nur noch Seth in meiner Sammlung. Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe, war in dem Zimmer bei „Mutter“ in Berlin. Da hat er mir was von „in vier Wochen sehen wir uns wieder“ ins Ohr geblubbert. Klar, Götter haben ne andere Zeitrechnung als wir ... und Götter dürfen Verspätung haben. Ich sags ja, ich will hier raus.
Als ich mir überlege, einfach hier liegen zu bleiben und abzuwarten, ob die Käfer mich nun irgendwann anknabbern oder nicht, geht die zweite Fackel aus und hüllt mich in absolute Dunkelheit. Ich beschließe, mir einfach eine Fackel vom Tisch zu holen und anzuzünden ... und mir dann im Hellen Gedanken zu machen, wie ich die brennende Fackel am besten an der Wand befestige. Okay, in welcher Richtung stand noch einmal der Tisch?
Nachdenken und loskrabbeln ist eine Bewegung, und erst, als ich mich am Tisch hochziehe, stelle ich fest, dass irgendwas anders ist. Ich weiß nicht was, aber ich kriege gerade Panik, denn irgendetwas zieht an meinem rechten Fuß.
Um genau zu sein, irgendetwas muss sich an meinen Fuß gehängt haben, denn er ist plötzlich schwerer als zuvor. Schwerer als mit der Kette, meine ich. Aber auch nicht so schwer wie beispielsweise eine fleischfressende Mumie oder so, dafür schabt und rasselt es hinter mir.
Als ich einen leichten Luftzug in meinem Nacken spüre, stoße ich einen leisen Schrei aus und mache einen Satz zur Seite, stoße mit der unverletzten Schulter gegen die gegenüberliegende Wand, gehe sofort in die Knie und versuche mit zusammengekniffenen Augen zu sehen, was mich da gerade angreift.
Doch alles bleibt still, wenn man mal von meinem Atem absieht, der stoßweise geht. Nach einer ganzen Weile erhebe ich mich vorsichtig und gehe mal um den Tisch herum, um die Stelle im Auge zu behalten, an der ich die ganze Zeit gekauert habe, als ich es entdecke ... die Kette ist lose. Und das komische schwere Gefühl am Fuß war einzig und allein die Tatsache, dass ich jetzt die Kette mit mir herumziehe, anstelle, dass ihr Gewicht von dem Ring getragen wird.
Meine nächste Erkenntnis ist, dass diese Kette einen Heidenlärm auf dem Fußboden macht. Also nehme ich erst einmal Fackeln und das Sturmfeuerzeug an mich, stecke es in meine Hosentasche und hebe dann die Kette auf, um zu verhindern, dass ich die ganze Pyramide aufwecke, wenn ich mich hier mal etwas in der näheren Umgebung umsehe ... schließlich will ich ja hier raus.
Es ist aber schwerer als erwartet, die Kette in der Hand zu halten, denn sie ist ziemlich verrostet und dadurch rutscht sie mir aus dem Griff, sodass ich sie mit zwei Händen halten muss. Also muss ich mir die Fackeln unter den Arm
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