Bone 01 - Die Kuppel
vorbeigepfiffen war. »Wir müssen immer noch sehr viel lernen«, bemerkte er dazu. Trotzdem stimmte er in den Jubel der anderen ein, denn sie hatten sich kaum tausend Schritte vom Hauptquartier entfernt und bereits ihr Soll erfüllt.
»Ich werde euch zeigen, wie wir feiern«, sagte er und schlitzte einen dampfenden Kadaver auf, um das erste innere Organ herauszuholen, auf das er stieß. Er hatte keine Ahnung, was es war, und es war ihm auch gleichgültig. Er zerschnitt es in kleine Stücke, die er an die anderen verteilte.
»Diese ersten Stücke sind immer für die Jäger«, sagte er.
Sie kauten stolz. Nur Varaha weigerte sich.
»Nicht nach all der Aufregung!«, sagte er.
»Du bist nicht einmal außer Atem«, sagte Stolperzunge. »Na los, du hast dir deinen Anteil verdient!«
»Ich habe keinen Hunger.«
»Darum geht es nicht!«
Kamala griff ein. »Er hat ein persönliches Problem damit, Häuptling«, sagte sie. »Viele Menschen schämen sich immer noch für die Art und Weise, wie wir hier essen.«
Sie verneigte sich, als Varaha ihr freudestrahlend seine Anerkennung kundtat.
Stolperzunge überlegte, ob er dem Mann befehlen sollte, das Fleisch zu essen, aber es missfiel ihm, zum Grobian zu werden, ganz gleich, welche Feindseligkeit er verspürte. Außerdem stimmte es, was Kamala gesagt hatte.
»Lasst uns diese Schleimer schlachten und nach Hause bringen«, sagte er.
Im Hauptquartier zerlegte er publikumswirksam das Fleisch und verteilte es an die Menschen. Sie hörten gebannt zu, wie die Jäger ihre Geschichten erzählten. Sie lachten, als Varaha berichtete, wie Kubar einen Schlag auf den Kopf bekommen hatte, sodass er »bei der Arbeit eingeschlafen« sei. »Nicht dass es das erste Mal gewesen wäre. Fragt seine Frau!«
Sie gaben vor, entrüstet zu sein, und im Großen Dach wären sie es vielleicht sogar wirklich gewesen. Aber Varaha hatte sie richtig eingeschätzt und genoss den Heiterkeitssturm.
Allmählich zerstreute sich die Menge, und der Lehrer wandte sich zum Gehen. Stolperzunge hielt ihn am Arm fest.
»Häuptling?«
»Hast du immer noch keinen Hunger, Varaha? Du hast deinen Anteil am Fleisch vergessen.«
Der Mann zeigte wieder sein gewinnendes Lächeln. »Sehr freundlich von dir, mich daran zu erinnern.«
»Varaha … was machst du mit meiner Frau? Seit der Schlacht hast du … haben du und sie …«
Varaha überraschte ihn, indem er ihm ins Gesicht lachte. »Ah, das habe ich schon einmal gesehen! Genauso hat es dein Bruder mit dir angestellt, nicht wahr? Er konnte seine Frauen nicht halten, und als Nächstes schickte er dich und diesen Trottel Steingesicht los, damit ihr euch ganz allein den Panzerrücken stellt.«
»Woher … woher weißt du das?«
»Das Große Dach sieht alles. Das hat deine Frau dir doch bestimmt schon erzählt.« Varahas Stimme wurde hart, und seine Augen funkelten. Das war eine Seite, die er ihm noch nie zuvor offenbart hatte, die aber die ganze Zeit da gewesen sein musste. »Jetzt hörst du mir zu, Häuptling . Wenn du wie Kubar während der Arbeit einschläfst, habe ich damit nichts zu tun. Ich kann dir nur dringend raten abzuwarten.« Die Verachtung schwand aus seiner Stimme und wurde durch etwas ersetzt, das Stolperzunge nun als falsche Freundlichkeit erkannte. »Noch ein paar Tage, Häuptling, und das Problem wird sich von selbst erledigt haben. Das verspreche ich dir.«
Der Lehrer ging, und Stolperzunge bemerkte, dass er immer noch mit Varahas Anteil am Fleisch dastand. Was hatte er damit gemeint, dass sich das Problem von selbst erledigen würde? Was? Stolperzunge lehnte sich gegen eine Wand und wehrte die schrecklichsten Gedanken ab, die er je gehabt hatte. Seit dem Tod seiner Mutter hatte er sich nicht mehr so einsam gefühlt.
Gelächter brach in einem Nebengebäude aus, als wollte man sich über seine Erinnerungen lustig machen. »Wer ist da?«, fragte er. Als er durch den Eingang trat, stellte er fest, dass es nur ein paar Kinder waren, die Jagen spielten. Jemand hatte einen kleinen Sack aus Schleimerhaut zusammengenäht und mit Moos ausgestopft. Fünf oder sechs Jungen und zwei Mädchen rannten damit herum und stachen mit kleinen Speeren darauf ein, während Steingesicht sie in Menschensprache anfeuerte. Alle schrien vor Begeisterung, am lautesten Steingesicht. Zwei Kleinkinder, die noch zu jung für dieses Spiel waren, stachen mit den Fingern in die Tätowierungen auf seiner Haut, während ein weiteres in seiner muskulösen Armbeuge lag.
»Siehst du
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