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Bone 01 - Die Kuppel

Titel: Bone 01 - Die Kuppel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O'Guilín
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umwickelt. Sie hatte ihm gezeigt, wie er sie als Stützen benutzen und darauf im Haus herumhumpeln konnte. Steingesicht und sogar Wandbrecher hatten beim Anblick seiner »hölzernen Beine« gelacht. Stolperzunge wusste nicht, warum, aber sein Bruder war in letzter Zeit immer verbitterter geworden, und es war eine große Erleichterung, ihn wieder lächeln zu sehen.
    Aber nun drängte Indrani darauf, dass Stolperzunge die Krücken außerhalb des Hauses benutzte.
    Behutsam schob sie ihn in Richtung Straße. Seit ihrer ersten Begegnung war ihr Haar gewachsen und hatte ihr etwas von ihrer Fremdartigkeit genommen. Und sie hatte sich einen Lendenschurz von Mutter genommen. Trotzdem konnte sie nicht die dunkle Tönung ihrer Haut oder die unnatürliche Helligkeit ihrer Zähne verbergen.
    »Raus, du!«, rief sie, als er Widerstreben vortäuschte. Als sie schließlich über die Schwelle traten, kicherten sie beide wie kleine Kinder. Seit seiner Verletzung hatte Stolperzunge das Große Dach nicht mehr richtig gesehen, sodass er den Blick vom blauen Schein abwenden musste und ihm Punkte vor den Augen tanzten. Als er sich an die Helligkeit gewöhnt hatte, war das Erste, was er bemerkte, eine Sphäre, die ganz allein vor der Weite des Dachs vorüberzog. Keine Kämpfe am Himmel mehr, dachte er. Und grinste. Auch keine weiteren Indranis mehr!
    Das Leben auf der Oberfläche fiel ihr schwer. Immer wieder verfiel sie in tiefe Niedergeschlagenheit und murmelte Worte wie: »Nichts in meinem Kopf! Alles fort!«
    »Wovon redest du?«, hatte er sie einmal gefragt, aber sie kannte nicht genug menschliche Worte, um ihm zu antworten. Also hatte sie vielleicht gemeint, was sie gesagt hatte.
    »Du wirst lernen«, hatte er ihr versichert. »Du wirst schon bald g-g-genauso g-gut wie ich s-sprechen!«
    Oft hörte er sie auf dem Dach des Hauses, wie sie den vorbeiziehenden Sphären unverständliches Zeug zurief. Er hörte die Drohung in ihrer Stimme und die Wut, die sich in ein verzweifeltes Flehen verwandelte, das ihm das Herz zerriss.
    Aber diese Episoden waren immer nur von kurzer Dauer. Indrani hatte ein Talent zu Streichen und Späßen, über die Mutter entzückt gewesen wäre. Es gefiel ihr, Stolperzunges Krücken zu verstecken und ihn auf jede erdenkliche Art zum Lachen zu bringen. Für ihn war sie der beste Freund, den er jemals gehabt hatte, denn im Gegensatz zu Wandbrecher verbrachte sie ihre ganze Zeit mit ihm. Noch besser war, dass er in ihrer Gegenwart nur selten stotterte. Sie war der einzige Mensch, den er kannte, der noch größere Sprachprobleme hatte als er selbst.
    Es war ein wunderbares Gefühl, und er hoffte, dass er sie jeden Tag besuchen konnte, wenn sie schließlich ihr Schicksal angenommen hatte und in Wandbrechers Haus gezogen war. Aber jetzt noch nicht. Er wollte sie noch nicht verlieren.
    Sie folgte ihm ins Licht und warf kleine Steine nach ihm, als er versuchte, aufrecht zu stehen und eine Hauslänge nach links und rechts zu humpeln. Er wünschte sich, der Häuptling wäre hier und könnte ihn sehen, aber die einzigen Zuschauer waren neugierige Flieger, die auf Gebäuden in der Nähe hockten, und ein paar ältere Frauen, die hastig mit missbilligend gerunzelter Stirn vorbeiliefen.
    »Mehr laufen!«, rief sie. »Mehr!«
    Er keuchte. »Genug!«
    Indrani hatte Mitleid mit ihm und half ihm zurück ins Haus und zu seinem Bett aus Fellen und gestampftem Moos.
    »Und nun«, sagte er, »bin ich an der Reihe, d-dich zu f-foltern.« Er hob eine Nadel auf. »Wie lautet das Wort für das hier?«
    Er lachte, als sie die Augen dachwärts verdrehte und stöhnte.

    Fünfzehn Tage später erhielt Stolperzunge endlich die Gelegenheit, sich wieder seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wie die meisten Verletzten während der Erholungszeit arbeitete er schichtweise auf den Wachtürmen, wofür er vom Stamm zu essen bekam. Die Nachtwachen waren ihm lieber, weil sich in diesen Tagen Spannung und Furcht auf den Straßen ausbreitete, während die Jagdzüge unergiebiger als je zuvor ausfielen.
    Der ältere Mann, mit dem er seine Schicht teilte – Brückengänger –, bewegte seine Finger genau unter Stolperzunges Nase. »Siehst du das?« Seine Stimme klang schroff, als müsste er sich ständig räuspern und ausspucken. »Ich habe dir doch gesagt, dass es besser wird. Noch eine Woche muss ich mich um dich wie um ein Kleinkind kümmern, und dann werde ich wieder jagen gehen.«
    Stolperzunge lächelte im verblassenden Licht des Großen Dachs. In der

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