Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bone 01 - Die Kuppel

Titel: Bone 01 - Die Kuppel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O'Guilín
Vom Netzwerk:
sollte.
    »Er muss stehen«, fuhr Mutter fort, »sonst sagt Speerauge, dass sie ihn mitnehmen sollen!« Stolperzunge sah, dass ihr Haar ungekämmt war und ihre Hände zitterten.
    Von außerhalb des Fellvorhangs, der vor dem Haupteingang hing, drang eine Stimme herein.
    »Hallo?«
    »Einen Augenblick noch!«, antwortete Mutter.
    »Wir können nicht länger als wenige Herzschläge warten«, sagte die Stimme. Sie klang vage vertraut. »Wir brauchen noch drei weitere Freiwillige, bevor es dunkel wird.«
    Mutter und Wandbrecher zögerten nicht. Sie zogen Stolperzunge hoch und stützten ihn von beiden Seiten. Indrani schrie sie an und gab ihnen zu verstehen, dass sie ihn wieder hinlegen sollten. Doch als drei Jäger in den Raum stürmten, schien sie zu begreifen und trat vor, um ihnen den Weg zu versperren.
    »Er steht«, sagte Mutter zu den Jägern. »Jetzt geht wieder!«
    »Das genügt noch nicht«, sagte einer der Männer. Stolperzunge erkannte ihn als Stillsitzer, Hellzahns Vater. Sein Gesicht war gerötet und verschwitzt. »Der Junge muss allein stehen. Zehn Herzschläge lang, wie der Häuptling gesagt hat. Sonst wird er nie wieder gesund.«
    Stolperzunge wurde von seiner Familie gestützt, aber schon jetzt hatte er das dringende Bedürfnis, sich zu setzen. Der Raum schien sich um ihn zu drehen, und das wenige, das sich in seinem Magen befand, wollte wieder nach oben kommen.
    »Hast du das gehört, Sohn?«, flüsterte Mutter. »Du musst nur zehn Herzschläge lang stehen, mehr nicht.«
    Sie wusste nicht, was sie von ihm verlangte. Es wäre viel leichter, sich wieder hinzulegen. Wenn er sich freiwillig meldete, konnte er sich ausruhen. Man würde seine Familie mit Lob und Ehre überhäufen, und sie konnten die sinnlose Hoffnung aufgeben. Genau diese Hoffnung hörte er jetzt in der Stimme seiner Mutter. Er spürte sie sogar in sich selbst, den schändlichen Drang, leben zu wollen, selbst auf Kosten anderer.
    »Ich werde dich jetzt loslassen«, sagte Mutter, »und dann stehst du zehn Herzschläge lang.« Ihre Worte waren von so großer Entschlossenheit, dass er sich wünschte, sie nicht enttäuschen zu müssen. Sie und Wandbrecher zogen sich gleichzeitig von ihm zurück.
    Während der ersten zwei Herzschläge war ihm gar nicht bewusst, dass sie nicht mehr da waren. Die Metallstücke an seinen Beinen schienen ihn ganz von allein zu stützen. Doch dann setzte der Schmerz ein. Er war wie Steine und Messer und scharfe Schnäbel unter seiner Haut. Feuer brannte in seinen Knochen, im Mark. Er schrie und schrie, aber nach dem vierten Herzschlag war er immer noch auf den Beinen. Er hörte die Leute zählen. Arme Mutter! Er schwankte, und als er sich wieder aufrichtete, verdoppelte sich der Schmerz, zuerst im einen Bein und dann im anderen. Er musste es beenden. Er musste sich fallen lassen. Es fühlte sich an, als hätten sich die Bruchstellen der Knochen wieder voneinander getrennt und würden erneut durch seine Haut stechen.
    Und dann lag sein verschwitztes Gesicht in Indranis Schoß. Ihre Augen waren der einzige Ruhepunkt in einem Raum, der sich rasend schnell drehte.
    »Das waren keine zehn Herzschläge!«, sagte Stillsitzer.
    »Wir haben gemeinsam gezählt«, sagte Wandbrecher und griff nach einem Messer. »Es waren zehn. Jetzt macht, dass ihr hier rauskommt!«
    Vor Wut hüpfte Stillsitzer auf der Stelle. Seine Jagdgefährten legten ihm besänftigend die Hände auf die vernarbten Schultern. Aber er wollte sich nicht beruhigen. »Wir alle wissen, dass es in diesem Haus ein paar Leute gibt, die sich als Freiwillige melden sollten. Hast du mich verstanden, Stolperzunge?« Seine Stimme stockte. »Wenn du ein Mann wärst, wüsstest du, dass es nur eine richtige Entscheidung gibt. Du würdest nicht zulassen, dass sie statt deiner meine Frau auswählen. Hast du gehört, was ich gesagt habe, Feigling?«
    »Ich habe euch gesagt, dass ihr gehen sollt«, stieß Wandbrecher zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Ich gehe ja schon«, sagte Stillsitzer. »Ich gehe und hole Speerauge. Soll er selbst urteilen, ob Stolperzunge zehn Herzschläge lang stehen kann!«
    Stillsitzer verließ das Haus, und Mutter stand auf, um ihm zu folgen. »Ich sollte dabei sein, wenn er versucht, dem Häuptling irgendwelche Lügen aufzutischen. Speerauge weiß, dass man sich auf mein Wort verlassen kann.« Sie ging neben Stolperzunge in die Knie und küsste ihn auf die Stirn.
    »Lebe«, sagte sie zu ihm. »Dein Kerbholz ist noch lange nicht

Weitere Kostenlose Bücher