Boneshaker - Priest, C: Boneshaker - Boneshaker
mag, was auch immer er sagen mag, er ist hier nicht geboren und auf gar keinen Fall der Mann, als den er sich darstellt. Er wird dir nie die Wahrheit sagen, weil es sich für ihn lohnt, zu lügen.
Aber was, wenn Minnericht nicht log und Angeline die Lügnerin war? Sie hatte behauptet, Minnericht wäre ein Ungeheuer, das alle fürchteten, was durchaus stimmen mochte, doch andererseits hatte sie sich verdächtig gut mit diesen Luftpiraten verstanden.
»Ich habe dir etwas zum Anziehen mitgebracht.« Minnericht hielt Zeke einen Wäschebeutel hin. »Wir essen in einer Stunde zu Abend. Yaozu wird kommen und dich zu mir bringen. Dann können wir über alles reden, was du möchtest. Ich werde deine Fragen beantworten, denn ich weiß, dass dich einiges beschäftigt. Ich werde dir alles erzählen, was du wissen willst, denn ich bin nicht so geheimniskrämerisch wie deine Mutter – weder dir noch sonst jemandem gegenüber.«
Er ging zur Tür. »Vielleicht solltest du lieber in der Nähe dieses Zimmers bleiben. Falls du es bemerkt hast, die Tür ist von innen gepanzert. Wir haben oben ein kleines Problem. Anscheinend treiben sich ganz in der Nähe unseres Geländes einige Fresser herum.«
»Ist das schlecht?«
»Natürlich ist das schlecht, aber besonders schlimm ist es auch nicht. Die Gefahr, dass sie hier eindringen, ist durchaus gering. Aber dennoch: Man kann nie vorsichtig genug sein.«
Und damit verließ er den Raum.
Wieder hörte Zeke kein Schloss, und er sah, dass sich von innen ein Panzerriegel vorlegen ließ. Andererseits hatte er keine Atemmaske mehr, und wie weit würde er ohne schon kommen? »Nicht besonders weit«, sagte er bitter.
Dann fragte er sich, ob er beobachtet wurde oder ob ihn jemand belauschte. Er ging lieber auf Nummer sicher und knöpfte sich stumm den Beutel vor. Der Doktor hatte ihn neben die Waschschüssel gelegt, die wieder mit sauberem Wasser gefüllt war.
Ohne sich darum zu scheren, ob es nun eine lächerliche Zurschaustellung schlechter Manieren war oder nicht, tauchte Zeke das Gesicht in die Schüssel und trank, bis das Porzellan trocken war. Er konnte nicht fassen, was er für einen Durst gehabt hatte, und dann konnte er nicht fassen, wie hungrig er war. Auch so manches andere war unfassbar: die Luftschiffe, der Absturz, der Bahnhof, der Doktor, und Zeke wusste nicht, inwieweit er all dem trauen durfte. Seinem Magen hingegen konnte er vertrauen, und gerade ließ er Zeke wissen, dass er seit Tagen nichts gegessen hatte.
Aber seit wie vielen Tagen? Wie lange war es jetzt her? Er hatte zweimal geschlafen, einmal unten im Turm, im Schutt, und einmal hier unter dem Bahnhof.
Er dachte an seine Mutter und an den genau durchdachten Zeitplan, nach dem er eigentlich schon wieder zu Hause hätte sein sollen – bevor seine Mutter stinksauer war. Hoffentlich ging es ihr gut. Hoffentlich hatte sie nicht irgendetwas Verrücktes getan, und hoffentlich war sie nicht krank vor Sorge um ihn. Irgendwie wurde Zeke das Gefühl nicht los, dass er richtig Mist gebaut hatte.
In dem Wäschebeutel fand er ein blitzsauberes Paar Hosen und ein Hemd sowie Socken, die kein einziges Loch aufwiesen. Er schälte sich aus den schmutzigen Sachen, die er am Leib trug, und zog sich um. Die neue Kleidung fühlte sich weich an auf seiner Haut; selbst die Wollsocken waren glatt und kratzten kein bisschen. In den Stiefeln allerdings war es ein komisches Gefühl: Seine Zehen hatten dort, wo die alten Socken durchgescheuert gewesen waren, Schwielen bekommen, die nun nicht mehr am Leder der Stiefel, sondern an der weichen Wolle rieben.
In einem kleinen Regal über der Schüssel fand Zeke einen Spiegel. Er besah sich die blutverkrustete, schmerzende Stelle an seinem Kopf und die blauen Flecken, die er zwar spürte, aber nicht sehen konnte.
Er fand, dass er zwar immer noch wie ein verdreckter Stra ßenjunge aussah, aber dennoch sauberer als in all den letzten Jahren, und das gefiel ihm. Es stand ihm gut, nicht einmal die verbundene Hand konnte den Eindruck zunichte machen.
Die Tür öffnete sich geräuschlos, und Yaozu trat ein. Um ein Haar hätte Zeke den Spiegel fallen gelassen, als darin das kleine, verzerrte Gesicht des Chinesen auftauchte. Er fuhr herum. »Sie könnten auch anklopfen, wissen Sie.«
»Der Doktor wünscht, dass du ihm während des Abendessens Gesellschaft leistest. Er dachte, du könntest vielleicht hungrig sein.«
»Und ob, sogar verdammt hungrig«, sagte Zeke, bereute es aber sofort. Die luxuriöse
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