Boneshaker - Priest, C: Boneshaker - Boneshaker
Kopfzerbrechen.
Er wusste nicht, wo seine Eltern gewohnt hatten. Nicht genau.
Seine Mutter hatte nie eine Anschrift erwähnt, aber er war sicher, dass sie oben auf Denny Hill gewohnt hatten, was immerhin ein Anfang war. So groß war der Hügel nicht, und Zeke wusste ungefähr, wie das Haus aussah. Als er noch ein kleiner Junge gewesen war, hatte seine Mutter ihm oft vor dem Schlafengehen davon erzählt, als wäre es ein Schloss gewesen. Wenn es noch stand, dann war es lavendel- und cremefarben, mit einem Obergeschoss und einem Turm. Es hatte eine Veranda, die über die gesamte Vorderseite verlief, und auf dieser Veranda stand ein Schaukelstuhl, der so lackiert war, dass er aussah, als wäre er aus Holz.
In Wirklichkeit war er aus Metall und mit einem Mechanismus im Boden verbunden. Man setzte sich darauf, zog ihn auf, und er begann zu schaukeln.
Es brachte Zeke beinahe zum Verzweifeln, wie wenig er über den Mann wusste, der diesen Mechanismus erdacht hatte. Aber er glaubte zu wissen, wo er nach Antworten suchen könnte. Er musste nur diesen Tunnel hinunter und dann den Berg gleich zu seiner Linken hinaufgehen; das musste Denny Hill sein.
Er hätte gern jemanden gefragt, aber es war niemand da.
Hier gab es überhaupt nichts, nur den Gestank der trä gen Schwaden dieses geheimnisvollen Gases, das innerhalb der Mauer noch immer aus dem Boden drang.
Am besten legte er seine Maske jetzt gleich an.
Zeke holte tief Luft, zog sich das Ding über den Kopf und zurrte die Riemen fest. Als er ausatmete, beschlug die Scheibe für einen Moment und wurde dann wieder klar.
Durch das Glas sah der Tunnel noch abweisender und unheimlicher aus. Er kam ihm länger vor und fremdartig; wenn er den Kopf bewegte, schien sich die Dunkelheit um ihn herum zu verschieben und zu verzerren. Er spürte die Riemen der Maske oberhalb und unterhalb seiner Ohren; sie juckten. Zeke schob einen Finger unter das Leder und bewegte ihn hin und her.
Zum dutzendsten Mal überprüfte er die Laterne; jawohl, sie war randvoll mit Öl. Er überprüfte seine Tasche; jawohl, sie enthielt sämtlichen Proviant, den er hatte mitgehen lassen können. Er war so gut vorbereitet, wie er nur sein konnte – also gerade eben gut vorbereitet genug.
Er drehte den Docht der Laterne hoch, um möglichst viel Licht zu haben.
Dann zwang er sich, die Grenze zwischen bloßer Nacht und diesem finsteren Ort zu überschreiten. Er trat über die Schwel le, und die Laterne erfüllte das Innere des gemauerten, künstlichen Durchgangs mit goldenem Schein.
Er hatte eigentlich früher aufbrechen wollen, gleich am Morgen, nachdem seine Mutter zu Waterworks gegangen war. Aber es hatte den ganzen Tag gedauert, Proviant zusammenzubekommen, und Rector hatte sich die Einzelheiten richtig aus der Nase ziehen lassen.
Darum war es draußen jetzt beinahe dunkel und drinnen stockfinster.
Die Laterne warf einen flackernden Lichtschein, der ihn tiefer hineinführte ins Unbekannte. Er umrundete die Schutthaufen, wo Teile der Decke heruntergefallen waren; er wich den baumelnden Ranken irgendwelcher Pflanzen aus, die dicker als Seetang waren; er duckte sich unter den Spinnweben hindurch, die von den Ziegelsteinen herabhingen.
Hier und da deuteten Details darauf hin, dass er nicht der Erste war, der diesen Weg genommen hatte, und er wusste nicht recht, ob ihn das nun beruhigen sollte oder eher das Gegenteil: An den Wänden sah er Brandflecken, wo Streichhölzer angezündet oder Zigaretten ausgedrückt worden waren. Wachsklümpchen lagen am Boden, die zu klein waren, um noch als Kerzen zu taugen. An einer Stelle hatte jemand die Initialen »W. L.« in die Mauer geritzt. In Rissen, die der Frost immer weiter auftrieb, glitzerten Glasscherben.
Nur das gleichmäßige Tappen seiner Schritte war zu hören, seine gedämpften Atemzüge und das rostige Quietschen der Laterne, die an ihrem Griff baumelte.
Und dann war da noch ein anderes Geräusch, das klang, als ob ihm jemand folgte.
Zeke schwang die Laterne herum, sah aber niemanden. Es gab auch nirgendwo eine Möglichkeit, sich zu verstecken – von der Stelle, an der er stand, ging es bis zum Strand schnurgerade aus. Nach vorn war der Weg zwar weniger klar, aber soweit er sehen konnte, wartete jenseits des Lichtkreises seiner Laterne nichts als noch mehr Leere.
Der Tunnel stieg an; es ging ganz leicht bergauf. Die Lücken im Gewölbe über ihm, dort wo Steine herausgebrochen waren, ließen keinen Himmel sehen, nur Erdreich. Der Hall der
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