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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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aufeinandergepresst gegen das Gekreische unzähliger Möwen. Die Schmerztabletten lagen über Deck, in einem der Staufächer im Ruderhaus, oder aber im Badezimmer vorne im Bug, das zu der großen Schlafkajüte gehörte. «Hallo, Babs», sagte Aaron immer, wenn er den Achtersteven hinaufstieg, und ich hörte, wie ich ihn mit tiefer Stimme imitierte. Die Treppe zum Sonnendeck war voller Möwenkacke, in den Vertiefungen und Ecken stand bräunliches Wasser. Könnte ich nur die Persenning von den purpurfarbenen Liegestühlen ziehen und mich hinlegen. Stattdessen öffnete ich die Türen des Ruderhauses, nicht ohne plötzliches Bedauern. Ich musste daran denken, wie ein Instrukteur von Palmer Johnson Aaron und mir innerhalb von einer Woche beigebracht hatte, wie sich diese zwanzig Meter ohne Schaden von einem Hafen zum nächsten manövrieren ließen.
    Ich setzte mich auf einen der ledernen Steuermannssitze und öffnete ein Schränkchen links vom Ruder. Der Verbandskasten. Pflaster, Mull, eine Schere, Aarons Temazepam – Ibuprofen. Ich riss das Tütchen auf, schüttete mir das Pulver in den Mund und spülte es mit ein paar Schlucken aus meiner Mineralwasserflasche runter. Und jetzt hinlegen. In gut vier Stunden kam dieser Typ. Dann eben Durcheinander. Ich stellte mir vor, ich läge auf dem großen runden Bett, spürte die wohltuende, auftriebgebende Kraft der Matratze, Rollläden schließen, Telefon aus.
    Ich stieg die Treppe hinunter, möglicherweise zu schnell, denn als ich im Salon an der u-förmigen Couch vorbeiging, musste ich mich an der Tischplatte festhalten. Erbrochenes schob sich in meinen Mund. Ich schwankte durch die Küche und spuckte ins Spülbecken. Der Luxushahn funktionierte, als wäre er gestern noch benutzt worden, ich spülte meinen Mund aus und hoffte, dass das Zauberpulver nicht mit herausgekommen war. Hier unter Deck herrschte übrigens ein ziemliches Chaos, man konnte sehen, dass wir Hals über Kopf in die Niederlande abgereist waren: zwei zerknüllte Badehosen von Aaron, Geschirr, zwar abgewaschen, aber nicht weggeräumt, Werkzeug, von dem ich nicht mehr wusste, dass wir es überhaupt benutzt hatten. Auch hier war es frisch. Auf dem Esstisch eine angebrochene Flasche Rosé ohne Korken.
    Wie krank war Aaron? Wie willkommen war diese Schwangerschaftsüberraschung noch? Was sollte ich über den Vater meines Kindes erzählen?
    Hinter dem Salon befand sich ein separates Gästezimmer, durch das man hindurchmusste, um in das große Schlafzimmer zu gelangen, ein geräumiger Durchgang mit zwei nie benutzten Kojen und einer etwas engen Duschkabine, für die dasselbe galt. Ich ging hinein und öffnete die Tür zur großen Kajüte. Jetzt erst merkte ich, dass ich aus dem Mund nach Erbrochenem roch, ein schwerer, süßlich-fauliger Geruch. Mit drei Schritten war ich beim runden Bett, auf dem außer einem Paar Stöckelschuhen nur ein dünnes Laken lag – leider. Ich ließ die Flasche aus der Hand fallen, legte mich auf die linke Seite und vergrub meinen Kopf in einem der Kissen. Eine halbe Minute blieb ich liegen, bis ich beinahe keine Luft mehr bekam.
    Gab es ein Ende gut, alles gut? Kriegten eine Mutter und ein Großvater allein das hin?
    An nichts denken, entspannen. Ich hob meinen Kopf aus dem Kissen. Mein Gott, was für ein Gestank. Die Möwen, das Rauschen der Brandung in der benachbarten Bucht, der Verkehr auf dem Kai – sie waren hier nicht zu hören, und als verdoppelte die Schwerkraft sich, sackte ich weg, ich fuhr in einem Auto über dunkle, schmale Wege, eine bekannte Umgebung, der Campus offenbar, ich pflügte mit dem Alfa durch trockenes Ackerland, es ging nur mühsam vorwärts, die Räder blieben stecken, seltsamerweise wurde ich todmüde. In der Ferne sah ich jemanden, in dem ich Aaron erkannte, sein kahler Schädel glänzte im Mondlicht, wie ein zweiter Mond warf er Licht auf die Sandflächen um ihn herum. Er wirkte glücklich, sein Lammfellmantel war weit offen. «Wo bist du nur gewesen?», rief er.
    Mir war, als ob ich stundenlang geschlafen hätte, doch wahrscheinlich waren es nur ein paar komatöse Minuten gewesen. Die Kopfschmerzen strahlten ab auf Nacken und Schultern, ich drehte den Kopf auf die andere Seite.
    Vielleicht war es der seltsame Geruch, der meinen Blick am glänzenden Holz des Kleiderschranks entlang zum Fußboden lenkte, der zögerliche Beginn eines prüfenden Hinschauens. Meine Augen blieben an einem Kleidungsstück hängen, das wie ein roter Fluss aus Stoff auf dem

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