Bony und der Bumerang
erhielt. Wie lange dürften die Fluchtvorbereitungen gedauert haben?«
»Clair hat das Schaf in größter Eile enthäutet. Als er die Federn an den Füßen befestigte, mußte er sich Zeit lassen, bis sie richtig festgeklebt waren. Ich denke, daß alles in allem zwei Stunden gedauert hat.«
»Also muß er gegen zehn Uhr gewarnt worden sein.« Sergeant Knowles schwieg kurz. »Um diese Zeit war ich mit Wachtmeister Smith im Schurschuppen, wo Sie, Mr. Thornton, etwas mit Mortimore besprachen. Zu diesem Zeitpunkt wußten lediglich zwei Menschen, daß wir Clair verhaften wollten: Ihre Frau und Ihre Nichte, Mr. Thornton.«
Das braungebrannte Gesicht des Schafzüchters lief rot an, und seine Augen funkelten.
»Wollen Sie etwa meine Frau oder meine Nichte verdächtigen?« fragte er überraschend freundlich.
»Ich verdächtige niemanden, Mr. Thornton. Ich habe lediglich gewisse Tatsachen festgestellt. Wir haben uns mit den beiden Damen auf der Veranda unterhalten. Unser Gespräch kann also durchaus von jemandem mitgehört worden sein. Wir werden also das Personal vernehmen müssen. Was meinen Sie, Bony?«
Der Inspektor lächelte. »Wir haben keinerlei Beweis, daß Clair über das Telefon gewarnt wurde.«
»Wie sonst sollte er denn gewarnt worden sein? Haben Sie vielleicht Spuren gefunden, daß vor uns jemand herausgekommen ist?« »Nein, Sergeant. Aber man kann jemanden auch durch Rauchsignale warnen. Trotzdem nehme ich an, daß das Telefon benützt wurde. Aber bewiesen ist es nicht. Da im Augenblick Trockenheit herrscht, muß Clair unbedingt einen Brunnen, einen Tank oder ein Wasserloch aufsuchen. Darf ich vorschlagen, alle Wasserstellen zu bewachen – sie sind ja nicht sehr zahlreich.«
»Und was ist mit dem Fluß?«
»Dort herrscht zuviel Verkehr«, erwiderte Bony. »Clair wird versuchen, sich im Northern Territory in Sicherheit zu bringen. Während ich mich jetzt ein wenig umsehe – es besteht ja immer die Möglichkeit, daß Clair etwas verloren hat, wodurch seine Fluchtrichtung erkennbar wird –, dürfte Mr. Thornton gewiß so freundlich sein, einen Plan der Wasserstellen zu zeichnen.« In einer Tür wandte sich Bony noch einmal um. »Wenn Clair auch nur ein Haar verloren haben sollte, werde ich es finden. Sie brauchen hier nicht auf mich zu warten.«
Bony holte sich aus Thorntons Wagen einen der Wasserbeutel und marschierte in südlicher Richtung davon, bis er den Sandhügel erreichte. Er kletterte hinauf und folgte dem Kamm der Dünen. Nachdem er auf diese Weise das Talbecken umrundet hatte, setzte er sich hin. Er seufzte zufrieden, denn er hatte Clairs Absichten richtig erkannt. Westlich des Tanks hatte er Clairs Spur gekreuzt. Sie war fast unsichtbar und hatte sich nur halten können, weil es windstill war.
Nun entfernte sich Bony eine Meile vom Becken, dann umrundete er es erneut. Mit gesenktem Kopf schritt er rasch aus, suchte aber den Boden in drei Meter Abstand sorgfältig ab. Nachdem er das Becken auch in einer Entfernung von zwei Meilen umrundet hatte, war seine Suche immer noch ergebnislos geblieben. Aber Bony gab nicht auf. Hin und wieder setzte er sich, rauchte eine Zigarette und trank einen Schluck Wasser. Nichts entging seinen scharfen Augen, doch während er die Spuren von Schafen, Kaninchen, Känguruhs, Wildkatzen,
Emus, Vögeln und Insekten betrachtete, grübelte er über den Unbekannten nach, der Clair gewarnt hatte.
Wer mochte mit Clair befreundet sein?
Angenommen, eins der Mädchen oder Martha hatte ihn gewarnt – dann war zweifellos Liebe oder zumindest Bewunderung im Spiel. Sollte aber Mrs. Thornton oder Kate Flinders Clair gewarnt haben, dann mußten die Thorntons etwas mit dem Mord zu tun haben, zumindest aber die Hintergründe kennen.
Was war das Motiv für den Mord? Warum hatte Clair fast zwanzig Jahre lang König Henry verfolgt? Diese Blutsfeindschaft hatte auf Barrakee begonnen, und dort hatte sie auch geendet. Was aber war der Grund für diese Blutsfeindschaft?
Der Mord selbst interessierte Bony nicht mehr. Er hatte der Polizei den Täter genannt, und damit hatte er seine Aufgabe erfüllt. Doch das geheimnisvolle Motiv, das Clair bewogen hatte, den Eingeborenen über zwei Jahrzehnte hinweg zu verfolgen, interessierte Bony über alle Maßen. Bisher hatte es so ausgesehen, als sei es reiner Zufall gewesen, daß der Mord auf dem Gebiet von Barrakee verübt worden war. Der Umstand jedoch, daß Clair gewarnt worden war, bewies eindeutig, daß auf Barrakee jemand über die
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