Bony und der Bumerang
Rätsel, das er zu lösen versuchte, nur noch geheimnisvoller machte.
In den ersten Junitagen schlenderte er an einem Spätnachmittag über die sandige Ebene hinter dem Herrenhaus und besuchte den Friedhof. Er hatte nicht die Absicht gehabt, den Friedhof zu besichtigen, hatte lediglich einen Spaziergang unternommen, um über die geheimen Stelldicheins zwischen Ralph Thornton und Nelly Wanting nachzudenken.
Was mochte Ralph an dem Eingeborenenmädchen finden, das ihm offensichtlich Kate Flinders nicht zu bieten vermochte? Jeder Mann hätte sich glücklich gefühlt, Kate zur Frau zu bekommen, und doch traf sich Ralph heimlich mit einer Eingeborenen und setzte damit alles aufs Spiel.
Bony wußte nicht recht, was er tun sollte. Sollte er Ralph sagen, daß sein Geheimnis entdeckt war – ihm raten, Schluß zu machen? Doch Ralph war der Sohn des Schafzüchters, Bony aber ein Mischling und angeblich nur ein gewöhnlicher Farmarbeiter. Er konnte natürlich auch John Thornton ins Bild setzen oder dafür sorgen, daß Pontius Pilatus mit seinen Leuten weiterzog. Doch dann wäre ihm eine wichtige Informationsquelle verlorengegangen.
Er war so tief in Gedanken versunken, daß er gar nicht bemerkte, den Friedhof betreten und sich auf eins der Gräber gesetzt zu haben. Doch plötzlich fiel sein Blick auf den schlichten Grabstein, und seine Augen wurden groß, als er die Inschrift las:
Mary Sinclair – Gestorben am 28. Februar 1945
Sinclair! Wo hatte er diesen Namen schon einmal gehört? Nicht gehört, gelesen hatte er ihn – im Brief seines Freundes! Der Weiße, der mit dem Häuptling des dortigen Eingeborenenstammes befreundet war, hatte Sinclair geheißen.
Hier nun war eine Mary Sinclair, die vor neunzehn Jahren gestorben war, und das war auch der Zeitpunkt, von dem an Sinclair König Henry verfolgt hatte. War Mary vielleicht die Schwester von Willi-am? War Mary der Grund, weshalb William König Henry getötet hatte?
Bony erhob sich, schritt zwischen den Gräbern auf und ab. Er hatte gehofft, die Lösung des Rätsels im Eingeborenencamp zu finden, aber immer wieder wiesen die Ereignisse auf das Herrenhaus von Barrakee.
Hufschlag ließ Bony aufblicken. Der Schafzüchter näherte sich auf einer schwarzen Stute. Thornton hatte sich gewundert, warum der Inspektor nach Clairs Flucht noch auf Barrakee blieb, denn der Fall schien ja geklärt zu sein. Er hatte Bony nach dem Grund seines Bleibens gefragt, und der Mischling hatte ihm ebenso offen geantwortet, daß er das Motiv für den Mord noch nicht kenne. Da ihm die ganze Angelegenheit gleichgültig war, und Bony obendrein nützliche Arbeit ohne Bezahlung leistete, hatte Thornton keine Einwände gemacht.
»Guten Abend, Bony!« Der Schaf Züchter lächelte freundlich, »Hoffen Sie, bei den Gräbern die gesuchte Erleuchtung zu finden?«
Bony drehte sich eine Zigarette und lächelte zurück.
»Die Erleuchtung kommt bei mir, ohne daß ich sie suche«, erwiderte er. »Ist es nicht wunderbar, wie rasch jetzt alles grün wird?«
»Allerdings.« Thornton setzte sich ans Fußende von Mary Sinclairs Grab und zog das Zigarettenetui aus der Tasche. »Es wäre allerdings besser gewesen, wenn der Regen einen Monat früher gekommen wäre. Dann würde das Gras den Frost besser überstehen, der bestimmt Ende des Monats kommt.«
»Nun, wir wollen froh sein, daß es überhaupt geregnet hat«, meinte Bony. »Wir Menschen haben keine Kommandogewalt über die Naturgewalten. Sonst wäre Napoleon bestimmt nicht am russischen Winter gescheitert, nachdem er Moskau in Brand gesteckt hatte. Aber da wir uns gerade auf dem Friedhof befinden – wer war eigentlich Edward Crowley?«
Sie betrachteten beide den kostbaren Gedenkstein.
»Er war der einzige Sohn von Jim Crowley, der diese Farm vor hundert Jahren gründete. Edward starb mit sechzehn Jahren.« Der Schafzüchter zeigte auf ein Grab, über dem sich ein Kreuz aus Eukalyptusholz erhob. »Dort ruht Harold Young. Er war mein erster Inspektor und ertrank, als er den wahnwitzigen Versuch unternahm, mit seinem Pferd durch die Washaways zu schwimmen.«
»Eine traurige Geschichte! Neulich wäre Ihr eigener Sohn beinahe in einem Wasser loch ertrunken.«
»Sie meinen Ralph?« fragte Thornton und sah Bony überrascht »Ja. Er wollte einem Fisch den Rückzug abschneiden und klemmte sich dabei auf dem Grund des Wasserloches zwischen Baumstämmen den Fuß ein, so daß er nicht mehr auftauchen konnte.«
»Davon höre ich jetzt zum erstenmal. Erzählen Sie
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